laut.de-Kritik
Indie-Pop 2.0 vom verwirrten Brüder-Duo.
Review von Lena BayerBruckner, das sind die Brüder Jakob und Matti. Am Chiemsee aufgewachsen, in Regensburg gelebt, mittlerweile in München daheim, sorgen sie seit 2017 für die Art von Songs, die mit sanften Beats und leichten Texten beim Hören ein positives Gefühl auslösen. Sie verbreiten die dezente Brise gute Laune, ohne dabei zu überschwänglich zu werden.
18 Tracks umfasst "Zerrissen". Genau die Hälfte davon veröffentlichten die Brüder bereits in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Nach dem Debütalbum "Hier" und einer verschobenen Tour hatten sie in ihrem Studio in München genügend Zeit, am zweiten Album zu arbeiten. Produziert haben sie das teils in Eigenregie. Ergebnis sei für sie "das schönste und ätzendste, beste und schlimmste, glücklichste und traurigste der letzten beiden Jahre".
Bruckner singen von Erinnerungen aus frühen Kindheitstagen, die sie etwa mit Nikes Kickschuh "Mercurial Vapor" verbinden, träumen mit Newcomerin Anaïs vom großen Aufbruch ("Ticket Für Die Nacht") und fühlen sich manchmal einfach "Lost". Als roter Faden zieht sich stellenweise die titelgebende Ambivalenz. Zerrissen wegen einer unerwiderten Liebe ("Worst Case Band"), Zerrissen wegen der eigenen Identität ("Wer Wir Sind"): "Und alle, alle sagen: 'Du sollst sein, wer du bist' / Und ich hab keine Ahnung, wer das eigentlich ist".
Nach der ersten Handvoll Songs, die sich stilistisch vor allem im tanzbaren "Indie-Pop 2.0" wiederfinden, fällt spätestens "Nero" mit verruchten, elektronischen Klängen aus dem Raster und sorgt für den wohl überraschendsten, vielleicht auch stärksten Moment des Albums. Hier singt Jakob Bruckner vom gleichnamigen römischen Kaiser Nero, der als Tyrann in die Geschichtsbücher einging, weil er Rom in Brand gesetzt haben soll: "Wir tanzen barfuß um antike Statuen / Baby, wir sind Rom und wir zünden uns an / Wodka, Eistee Zero, unser Antrieb Kero / Baby, nenn mich Nero, wir brenn'n zusamm'n".
Ab und an verstecken sich eher unterschwellig, jedem bekannte Referenzen in ihren Songs. In "Worst Case Band" ist das etwa ein Zitat aus "Aristocats", in "nichtdasgleichem4a" freuen sich auch die Brüder "Wie gut, dass es die Rosi gibt".
"Das System" ähnelt anfangs einem Hip Hop-Song aus den 90ern und verschreckt dann mit Lines wie diesen: "Mein Portemonnaie ist dünner als deine Nasenscheidewand" und "Unser Talent / Wir können Schmerztabletten am Geschmack erkennen / Thomapyrin, Ibuprofen, Paracetamol und Naproxen / Schluck die Pillen für das System".
Bruckner haben trotz der immer wieder thematisierten Zerrissenheit ein Album erschaffen, dass vor allem in Kombinationen wie laue Sommernächte und lange Autofahrten harmoniert. Besonders viele, auffällige Highlights gibt es nicht, der Grundtenor bleibt dafür weiterhin positiv.
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