laut.de-Kritik
Starker Auftritt des Big Thief-Gitarristen.
Review von Simon ConradsBuck Meeks Ruhe hätte man gerne. Zumindest nimmt man aufgrund seiner Musik an, dass der Gitarrist von Big Thief ziemlich in sich ruht. Gerade mal eine Woche Zeit nahm er sich, um die Songs seines zweiten Albums einzuspielen - auf Basis der kargen Rahmenbedingungen, die ihm Produzent Andrew Sarlo vorgegeben hatte: Ein 8-Track-Recorder, ausschließlich dynamische Mikrofone, keine Kopfhörer und pro Titel angeblich nur einen Take. Von Hektik, Stress oder Nervosität findet man in den Stücken dennoch keine Spur. 'Laid back' scheint das Motto während der Aufnahmen gelautet zu haben, die in der sommerlichen Schwüle von New Orleans stattfanden. Auf eine gewisse innere Unruhe lassen bei "Two Saviors" höchstens die assoziativen, teils wirren Texte schließen.
"Außerdem wurden unsere Gehirne von der Hitze ein bisschen gebraten, was insgesamt bedeutet, dass es weniger Klarheit und Wachheit gibt, als an einem klaren Herbsttag", beschrieb Meek kürzlich den Aufnahmeprozess im Atwood Magazine. Man darf dafür dankbar sein, denn die beschwingte Verträumtheit steht den Stücken bestens zu Gesicht. Immer wieder schleichen sich Instrumente und Zweitstimmen in die luftigen Kompositionen, scheinbar nach Lust und Laune werden die Stücke mal dichter, mal auf das Nötigste reduziert.
Im Zentrum steht immer eine akustische Gitarre, die von anderen Elementen umspielt wird. Meek wirkt dabei stellenweise wie ein Kumpel, der einem in seinem Zimmer etwas verhalten seinen neuesten Song vorspielt, sich dann aber immer mehr im eigenen Klang verliert und an Selbstbewusstsein zulegt. Seine außergewöhnliche Stimme, die sich zuweilen auch überschlägt, unterstützt diese Fluffigkeit wunderbar.
Damit unterscheidet sich Meeks Musik deutlich von der Big Thiefs, die geprägt von Adrianne Lenkers Stimme und Songwriting Melancholie und Mystik im Indiefolk auslotet. Meeks Album lehnt sich eher in Richtung Country und Americana. "Candle" beispielsweise wird von einer Pedal Steel-Gitarre durchzogen, während Meek das Sich-fremd-Werden beklagt: "Did your eyes change? / I remember them blue / Or were they always hazel? / Still the same face / With a line or two / The same love I always knew". Es gelingt ihm bestens, abstrakt genug zu bleiben, um Raum für Interpretation zu lassen und zwischendurch doch immer wieder Anhaltspunkte zu liefern, um nicht gänzlich im Dunkeln zu tappen. Es fällt nicht schwer, hier einen Bogen zur Scheidung von Lenker zu schlagen - beide machen aber weiterhin zusammen bei Big Thief Musik.
Besonders gut aufgelegt ist "Second Sight", mit seinem verzerrten E-Gitarren-Einwürfen und auftrumpfendem Schlagzeug. Klanglich erinnert das Stück vor allem dank der Gesangsharmonien und dem Zusammenspiel von Piano und Gitarren an Dr. Dog. "Ham On White" klingt stellenweise nach Elliott Smith-Stücken wie "Cupid's Trick", die recht plötzlich ausbrechen, wenn elektrische die akustischen Gitarren überrumpeln. Der Text wirkt, als wäre er aus einem absurden Traum gefallen: "Save me half of that sandwich, Annie / I haven't eaten since 1995 / It's a miracle I'm alive / Please spare my life with ham on white tonight". "Cannonball! Pt. 2", der geradlinigste Country-Song des Albums, ist mit dem treibenden, dennoch schwebenden Schlagzeugspiel Austin Vaughns eine wahre Freude.
Häufiger aber, gerade bei den Laid back-Passagen, erinnert die Platte aufgrund des sanften Gesangs an Damien Jurado. Der Titelsong etwa baut ein sehr gemütliches Klanggebilde auf, verzichtet komplett auf Drums und setzt stattdessen wieder auf Pedal Steel. "Pocketknife", das leicht verschlafen klingt, ist ein spätes Highlight des Albums und weckt mit Violine leise Erinnerungen an den Briten Johnny Flynn. "Two Saviors" zeugt davon, dass das musikalische Universum Big Thiefs weiterhin zum Besten gehört, was aus der amerikanischen Indiefolk-Ecke kommt.
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