laut.de-Kritik
Blues lebt, glüht, atmet, sprüht, funkelt und vibriert.
Review von Philipp KauseUnter der kalifornischen Sonne möchte jemand seinen Schmerz nach Todesfällen in der Familie lindern. Dort entdeckt er den Blues für sich, der in seiner Ehrlichkeit tröstend wirkt: "Blues Don't Lie". Buddy Guy zählt neben Willie Nelson, Ernest Ranglin und Jerry Lee Lewis zu den dienstältesten Musikern der Welt und wirkt wie auch die anderen Herren prägend und ikonisch für eine Strömung seines Genres. Sein Blues ist Gefühls-Blues durch und durch. Seine klare Stimme verhilft den spröden und mitunter arg elektrisch, bis an die Grenze der Übersteuerung, quiekenden Songs zu strahlender Schönheit. Die Aura seiner Lieder lebt von luftiger Eleganz im Gesang und hat nichts Verrauchtes, Verqualmtes, Verlebtes, während viele andere im Genre genau das Kaputte stets kultivierten und zelebrierten.
Buddy stellt den Soul als nächsten Verwandten des Blues ganz in den Mittelpunkt seiner Performance, weil er soulig singt. Doch der 86-Jährige zeigt sich auch offen für Variationen, die seine zahlreichen Gäste einbringen. "Symptoms Of Love ft. Elvis Costello" surft auf schrammeligen New Wave-Riffs, "Follow The Money ft. James Taylor" wählt Jazz-Folk als Ausdrucksmodus, eines der interessantesten Lieder. So unscheinbar und trocken, so rhythmisch reizvoll groovt dieses leise und holzige Duett.
"What's Wrong With That ft. Bobby Rush" featuret den 89-jährigen Musiker Bobby Rush. Der hat sein 70. Bühnenjubiläum bereits hinter sich, und die beiden Senioren entscheiden sich für eine ausgelassene funky Nummer, in der eine wild geifernde Mundharmonika den Blues für sich reklamiert. Country-Background bringt Jason Isbell ein und trägt im "Gunsmoke Blues ft. Jason Isbell + Tom Hambridge" zu einem Highlight der Platte und überhaupt des Blues-Jahres 2022 bei. Zwischen verträumten und lebhaften Momenten polarisiert das Stück, viel von der Energie dieses Kontrasts überträgt sich ins ekstatische Spiel der Lead Guitar. Der Boogie-Swamp Rock "House Party ft. Wendy Moten" dürfte CCR-Fans zusagen.
Zwischen ruhigem Stehblues ("The World Needs Love") und schnelleren, explosiveren Stücken (z.B. "Back Door Scratchin'") pendelt die Platte so sehr wie zwischen Akustik ("King Bee") und Elektrizität ("Symptoms Of Love ft. Elvis Costello"). "The Blues Don't Lie" löst alle Erwartungen ein, die man an Buddy Guy haben kann. Hier passiert zwar 'nur' in den Duetten Innovatives. Aber die Kombination aus ungewohnten Tönen und sehr erwartbaren ist eine ausgewogene Mischung, feiert die lange Karriere des Künstlers und hält sie lebendig.
Anders als in den sterilen Gefilden Claptons atmet der Chicago Blues hier, darf glühen, dreckig und spontan sein, und enthält auch witzige Momente wie im Dialog zwischen Otis und Buddy, über die Brattechnik eines Huhns. Wie schon Buddys vorherige CD sagte: "The Blues Is Alive And Well".
1 Kommentar
Jau, vorletzter Satz "Anders als in den sterilen Gefilden Claptons..." - wie wahr!!! Der alte Mann hats immer noch voll drauf, power+Neugier auf Anderes/Neues = toll. Persönlich fand ich die letzte derartig großartig (5 Sterne+), dass es hier abgesehen von den Duetten nur zu 4/5 reicht, aber hey: Kann ich bitte soo altern...?