laut.de-Kritik

Wenn der Erfolg wichtiger wird als die alten Fans.

Review von

Schon der Opener "Leap Of Faith" macht deutlich, dass sich Bullet For My Valentine für ihr sechstes Studioalbum "Gravity" von ihrem Trademark-Sound verabschieden. Elektronische Elemente wecken mehr Erinnerungen an 30Seconds To Mars als an den BFMV-Meilenstein "The Poison", mit dem sie Mitte der Zweitausender die Jugendzimmer einer ganzen Generation von Metal- und Emo-Kids beschallten.

"Gravity" klingt, als wäre es am Reißbrett entstanden. Herausgekommen sind Rocksongs, die für die Masse funktionieren. Dafür hat die Band Gitarren-Soli, musikalischen Tiefgang und vor allem künstlerischen Mut gestrichen. Stattdessen werden "Oh-oh-oh"-Mitsing-Parts überstrapaziert und die immer gleichen Vers-Bridge-Refrain-Abfolgen bemüht. Wenn sie damit eine Lücke füllen möchten, die Linkin Park freigemacht haben, erledigen sie einen hervorragenden Job.

Textlich suhlt sich Sänger Matt Tuck in Genre-Klischees: "Lost in the dark with a wilderness of nothing / Where do I start when my world is self destructing, singt er auf "Under Again". Mach kaputt, was dich kaputtmacht, lautet das oberflächliche Motto der Texte. Das fällt in neun von zehn Fällen so plump aus, dass die sonst so nervigen "Oh-oh-oh"-Lückenfüller auf einmal Sinn ergeben.

Bullet For My Valentine haben schon immer Musik gemacht, zu der sich Fäuste hochdramatisch in die Luft strecken lassen. "Gravity" möchte dieses Gefühl vom Metal-Festival ins glamouröse Stadion übertragen. Mit anbiedernden Radio-Hymnen wie "The Very Last Time", das auf einen schnulzigen Refrain und versetzte Klatsch-Snares setzt, könnte das sogar gelingen.

Aber nicht alles auf "Gravity" dürfte alte Fans enttäuschen. Auf "Don't Need You" klingt die Band, wie sie die erwachsen gewordenen Anhänger kennt und liebt. Aber wahrscheinlich nur, weil der Song Jahre vor den restlichen des Albums entstanden ist. Auch die für BFMV typischen Balladen erhalten Zuwachs. Zwar schrammt "Breath Underwater" mit Akustikgitarre und Streichern haarscharf am Kitsch vorbei, ein versöhnlicher Albumabschluss ist den vier Musikern damit aber gelungen.

"Gravity" ist das bisher poppigste Album der Waliser. Die Band selbst wird es Weiterentwicklung nennen. Enttäuschte Fans bezeichnen es hingegen als Verrat an ihrem lieb gewonnenen Sound. Massentauglichkeit ist per se nicht schlecht, doch Bullet For My Valentine haben wichtige Markenzeichen gestrichen und sich stattdessen für ein Klangbild entschieden, das langweilig und austauschbar klingt.

Bleibt zu hoffen, dass diese Platte nur der Zwischenschritt einer musikalischen Vision ist, die sich mit dem siebten Album in die richtige Richtung entwickelt.

Trackliste

  1. 1. Leap Of Faith
  2. 2. Over It
  3. 3. Letting You Go
  4. 4. Not Dead Yet
  5. 5. The Very Last Time
  6. 6. Piece Of Me
  7. 7. Under Again
  8. 8. Gravity
  9. 9. Coma
  10. 10. Don't Need You
  11. 11. Breathe Underwater
  12. 12. Breaking Out
  13. 13. Crawling

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9 Kommentare mit 17 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    alte Fans? 2004/5 warem BMFV überwiegend das, was früher als "Bravo-Metal" bezeichnet wurde. Musik für kleine Mädchen, die das erstmalige einsetzen der menstruation nicht verkraftet haben. Die "alten Fans" sind jetzt gefühlt Mitte 20 und SCHÄMEN sich für ihre Jugendsünden

    • Vor 6 Jahren

      "The Poison" würde ich da noch ganz klar ausnehmen. Die Scheibe hat echt Bock gemacht und passte zum Zeitgeist. Das würde ich den Jungs jetzt nicht negativ als "Bravo-Metal" auslegen wollen. Auf alles, was danach kam, trifft das aber sicher ziemlich gut zu. Und live sind die eh Dreck.

    • Vor 6 Jahren

      Finde diese großartige "Hip Hop vs. Metal - Kampf auf dem Schulhof"-Bilderserie der BRAVO nicht mehr. :(

    • Vor 6 Jahren

      @Munid Fuck, das würde mich interessieren :D

    • Vor 6 Jahren

      Ja, das war super, weil ich damals selbst "Hopper" war, aber um mich herum eher Metal gehört wurde. Da sollte ich dann oft Stellung beziehen und erklären, wie das denn sein könne, dass ich mir als gebildeter Mensch solche Musik zuführe. In der BRAVO wurde das dann auf Kutten gegen Caps und Silber- gegen Goldketten heruntergbrochen und man konnte sich dann im Stylecheck quasi selbst testen, zu welchem Camp man gehört.

    • Vor 6 Jahren

      Das hier nicht, oder?

      https://www.vongestern.com/2014/08/ratgebe…

      wobei, da gibts nur Grunge und Punk...und es wird penibel zwischen Hiphopper und Rapper unterschieden :D

    • Vor 6 Jahren

      Marc, 17, Hiphopper: "Wir sind schließlich keine Machos wie die Rapper oder solche Loser wie die Grunger!" :koks:

    • Vor 6 Jahren

      Rap = BlingBling, HipHop = Backpack? Klingt logisch. :D

    • Vor 6 Jahren

      das is gold xD

    • Vor 6 Jahren

      Ich weiß nicht, vielleicht war das auch auf VIVA/MTV, finde leider nichts dazu. Das von dir ist aber auch gut.

    • Vor 6 Jahren

      Bin Anfang 30. Mochte The Poison und mag es immer noch. Schäme mich kein Stück dafür. Viel mehr schäme ich mich für engstirnige Möchtegernwlitisten wie dir. Reinste Verschwendung von wertvollem Sauerstoff.

    • Vor 6 Jahren

      Schämen finde ich auch immer etwas komisch. Stehe heute noch zu meinen ersten CDs - die Singles zu "Lucky", "Rollin'" und "Fallin'". :D

    • Vor 6 Jahren

      Erstes Album war glaube ich "Hybrid Theory", sollte klar sein.

    • Vor 6 Jahren

      Also Marc muss doch einfach ein hier allseits vermisster User sein.

    • Vor 6 Jahren

      "Bin Anfang 30. Mochte The Poison und mag es immer noch. Schäme mich kein Stück dafür."

      gleichermaßen beeindruckend wie beneidenswert. Ich cringe beim lesen ja alleine schon vor fremdscham

      "Reinste Verschwendung von wertvollem Sauerstoff."

      Ich kann Photosynthese betreiben. Was kannst du?

    • Vor 6 Jahren

      Wenn es dich zum *cringen* bringt wenn jemand andere Musik hört als du für richtig hälst kannst du mir nur leid tun. Wieso sollte ich mich dafür schämen? Muss ich besonders TRVE und KVLT sein um mich nicht schämen zu müssen? Oder vllt eher stolz darauf einen musikalischen Horizont zu haben der über den Tellerrand hinaus geht den pseudoelitäre Vollidioten wie du manifestieren wollen?

    • Vor 6 Jahren

      du solltest eher stolz darauf sein, wie gut du dich artikulieren kannst. Denn doitsch scheint yngwie nicht deine muttersprache zu sein. Daher: high five :)
      Wenn BFMV dein "blick über den tellerrand" sind... naja... dann verdienst du.... offenes und ehrliches Beileid :(

  • Vor 6 Jahren

    Wirklich dolle ist das Album nicht. Aber: Wenn der Erfolg wichtiger wird als die alten Fans? In erster Linie muss der Künstler mal selbst mit seinem Werk zufrieden sein, oder? Die Sache mit dem Erfolg ist also reine Spekulation, zumal BFMV ohnehin schon Megaseller waren, dafür hat es "Gravity" sicherlich nicht mehr gebraucht.

  • Vor 6 Jahren

    Der "alte Fan" wünscht sich also Album für Album einen Neuaufguss von "The Poison"? Als "The Poison" rauskam war ich 19, heute bin ich 32. Ich mag "The Poison" nachwievor und wenn ich "The Poison" hören will mache ich "The Poison" an. Genauso wie ich sind, Oh Wunder, auch die Musiker älter geworden und ein Blick durch die Diskographie zeigt dass diese Band nie wirklich einen Stil gemach hat, sondern viel mehr sich daran versucht wozu Sie gerade Lust hatten. Und das sollte eine Band auch genau so machen. Dazu kommen zwei neue Bandmitglieder (also auch neue Einflüsse).
    Ich finde das Album wirklich sehr ordentlich und kann die Kritik nicht nachvollziehen. Es klingt zwar eingängiger und ist nicht mehr "technisch" wie viele Sachen zuvor und halt etwas auf 2018 zugeschnitten. Aber es als schlecht zu bewerten ist absolut verkehrt. Es geht hier anscheinend nicht darum was die Musik ist sondern vielmehr wer Sie macht.

  • Vor 6 Jahren

    der alte Trottelfan der immer noch hängengebliebener Emo ist und the Poison 2.0 hören will hat ganz andere Probleme

  • Vor 3 Jahren

    Hab grad das erste Mal das Album gehört und ganz ehrlich?
    Das ist das erste BFMV Album, was den The Poison Stil konsequent weiter führt.
    Von Scream Aim Fire bis Venom war alles sehr 80s und 90s Metal beeinflusst und das schlägt den Bogen zum Emometalcore der 2000er perfekt.
    Jeder der meckert sollte nochmal richtig das Debut anhören, weniger Screams, aber das Songwriting ist exakt das selbe.