laut.de-Kritik
Der nächste Indie-Hype aus Österreich.
Review von Simon ConradsEine Indie-Pop-Band aus Wien? Seit Wanda und Bilderbuch spitzt man schon bei dieser kurzen Beschreibung die Ohren in der Hoffnung, hier laufe sich der nächste deutschsprachige Hype-Act warm. Buntspecht, eine sechsköpfige Truppe, die mit "Spring Bevor Du Fällst" nun ihr drittes Album veröffentlicht, tritt aber musikalisch weiterhin nicht in die Fußstapfen der bereits Genannten.
Ihre Einflüsse, darunter nach Eigenaussage Hildegard Knef, King Gizzard & The Lizard Wizard und das Wienerlied, verweben Buntspecht zu einem ansprechenden, aber auch fordernden Genre-sprengenden Sound. Noch dazu schreibt Sänger Lukas Klein abstrakte Texte mit einem aus der Zeit gefallen Vokabular, das, anders als etwa bei Bilderbuch, nicht gerade vor Hipness sprüht. In "Die Göttin Des Übergangs" heißt es beispielsweise: "Umtriebig und viel zu hastig / Leck ich an deinem Herz / Jedoch, den Unterschied macht meistens bloß / Ein wildes Tier". Das ruft auch durch den leicht affektierten Vortrag stellenweise wenig schmeichelhafte Assoziationen wie Lisa Eckhardt auf den Plan.
Gewöhnungsbedürftig ist jedoch nur der erste Eindruck, beim tieferen Eintauchen entfalten sich die Stücke immer mehr. Besonders die charmante Instrumentation und das präzise Songwriting beeindrucken, ganz besonders in "Von Langen Nächten", das auf einer akustischen Gitarre und Bläsern aufbaut und immer wieder wunderbar in den Refrain taumelt: "Halt mich hoch / Halt mich fest". "Paradies" beginnt mit einem tanzbaren Drum-Beat und präsenter Kuhglocke, setzt dann aber auch wieder auf akustische Gitarre, stellt einen verfunkten Bass ins Rampenlicht und gönnt sich ein recht langes, atmosphärisches Outro. "Glut" arbeitet mit rumpelndem Klezmer-Sound und klingt in der Hook fast nach einem Musical-Song: "Mein Herz, mein Herz ist offen / Jetzt spricht das Blut / Wir haben Tage, Wochen / Doch nie genug".
"Kurzes Spiel" bietet den eingängigsten Refrain des Albums, ist gleichzeitig der straighteste Rock-Song und gönnt sich gegen Ende einen fantastischen, mitreißenden Klimax. Neben diesen dynamischeren Songs finden sich etwa mit "Poltern" oder "Zehn Zehen" auch ruhigere Stellen, die an Bands wie DeVotchKa erinnern. "Poltern" ist dabei fast gänzlich auf Gitarre und Gesang reduziert, fällt allerdings im Refrain ab, wo die Reime etwas ungelenk geraten. Auch "Steine Straßen Räder" ist weniger überzeugend, erinnert an ebenfalls eher anstrengende Songs der eigentlich großartigen Wir Sind Helden, beispielsweise "Zuhälter".
Das Highlight kurz vor Schluss ist dann "Bolognese", das mit seinem Gaga-Text begeistert und sich wunderbar aufbaut. "Und am Firmament, wenn wir jetzt zum Himmel sehen / Rennt vielmehr, als dass sie hängt / Die rote Bolognese / Und im Hinterhof wo einst, Schweineblut geronnen / Schlachten sie nun Sonnen", singt Klein und im Anschluss beeindruckt die Instrumentation mit stimmigen Streichern.
Auch wenn am Ende vieles stimmt und der Großteil der Songs Laune macht, stehen die stellenweise arg sperrigen Texte den Stücken nicht selten im Weg, wirken bemüht artsy. In "Benütz Mich" singt Klein beispielsweise "Sieh mich an, wie den Sonnenuntergang / Zieh mich an oder besser aus, wie dein Gewand" - der Gesang wie bei überpathetischen Poetry Slams. Die fantastische Musik macht das Album dennoch hörenswert.
1 Kommentar
"Die fantastische Musik macht das Album dennoch hörenswert."
Öhhhh? Ach, ich vergaß, es geht hier gar nicht um Musik, sondern um Poesie-Kritik. Die aber auch schmeichelhaft ausfällt, wenn man Reimgelenkheit kritisiert und den Sänger nur aus Gründen des altertümlichen Vokabulars in die Nähe einer Lisa Eckhard stellen muss. Dürftige Kritik.