laut.de-Kritik
Der Soundtrack für den kölschen Wahnsinn.
Review von Robin KirkerOb der Release kurz vor Karnevalsbeginn Zufall ist? Wohl kaum. Mit "Unter Einem Guten Stern" liefern Cat Ballou den Soundtrack für den kölschen Wahnsinn – doch der perfekte Tag bleibt eher ein Wunschtraum.
Die Struktur des Albums ist zwar durchdacht, beginnt vielversprechend mit "Genesis", aber der Einstieg hält nicht, was er verspricht. Das Instrumental baut sich langsam auf, erzeugt einen Hauch von Vorfreude – nur um dann kurz vor dem Höhepunkt abrupt abzubrechen. Der Übergang zum nächsten Track ist alles andere als nahtlos und wirkt leider unfertig. Schade, denn hier wäre eine geschmeidige Verbindung der Melodien naheliegend gewesen.
"Paradies" versucht, den Faden wieder aufzunehmen, bleibt jedoch hinter den Erwartungen zurück. Während die Instrumentalisierung Energie versprüht, fehlt es dem Lied an Tiefe, um nachhaltig Eindruck zu hinterlassen, und auch der kölsche Text lenkt kaum von der Schwäche des Tracks ab. Ein Song, der im Karneval seine Wirkung entfalten könnte, aber abseits davon schnell verblasst.
Erst bei "Guter Stern" wird das musikalische Zentrum im Hirn aus dem Dämmerzustand geweckt – endlich! Plötzlich wird klar, was hier passiert: Man sieht förmlich die Ü50-Discofox-Gruppen, wie sie am 11.11. über die Kölner Straßen tanzen. Kein schlechter Gedanke, aber auch kein besonders origineller.
Mit "Gute Zeit" bleibt die Zeitreise direkt in den 2010ern hängen. Mark Forster lässt grüßen, und man muss an seine Ohrwürmer aus 2015 denken. Nostalgisch? Vielleicht. Innovativ? Leider gar nicht. Was damals als Pop-Hit funktionierte, wirkt heute wie eine abgenutzte Collage aus EDM-Geklimper und rhythmischen Fingerschnipsern. Gute Zeiten? Klar, aber irgendwann ist's halt auch mal gut.
Das Feature mit Joris bei "Wasser Im Rhing" setzt das Bild konsequent fort. Achtung, kein Hate gegen Joris! Aber mal ehrlich: Seit "Herz über Kopf" – Überraschung, ebenfalls 2015 – hatte er keinen richtigen Hit mehr. Diese Zusammenarbeit ändert daran auch nichts und reiht sich nahtlos ins Gesamtbild ein.
Tracks wie "Wir Lieben Das", "Die Noch Wach Sinn", "Lass Uns Nicht Geh'n" und "Vorbei" unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre Titel. Melodie und Aufbau? Fast identisch. Die Stimmung? Ein einziger Dauerrausch unter betrunkenen Karnevalsgästen, aus dem es kein Entkommen gibt. Doch Moment: "Vorbei" kündigt tatsächlich das Ende dieses Spektakels an – zumindest im Titel.
Mit "Kumm Loss Uns Fiere" läutet Cat Ballou ein letztes Hurra ein, das zunächst nach einer zweiten Runde klingt – die Karnevalsparty könnte ewig so weitergehen. Doch der Schein trügt: Der Inhalt des Tracks erzählt eine andere Geschichte. Die Party ist vorbei, der Rausch verblasst, und was bleibt, ist der bittersüße Moment des Abschieds. Ein sanftes Klavier bricht durch den vorherigen Trubel, als würde es die aufgeheizte Stimmung langsam herunterdimmen. Man sieht förmlich die Szenerie vor sich: Schwankende Gestalten, Arm in Arm mit den besten Saufkumpanen, während sie die letzten schiefen Töne eines ohnehin heiseren Kehlkopfs herausgrölen. Der Boden klebt, die Luft ist stickig, doch die Melancholie eines gelungenen Abends schwingt in jeder Note mit.
Und dann kommt "Epilog". Ein Instrumental, das alle Beteiligten sanft aus dem Wahnsinn hinausbegleitet, hinaus ins neblige Morgengrauen. Der kalte Heimweg wird von Klaviermusik untermalt, die tatsächlich einen Hauch von Schönheit hat – doch nach diesem Marathon ist das auch bitter nötig. Sperrstunde, Leute. Zeit, den Deckel draufzumachen.
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