laut.de-Kritik
Auch Propaganda-Fans kommen mal auf ihre Kosten.
Review von Toni HennigClaudia Brücken feierte als Teil von Propaganda Mitte der 80er-Jahre mit Hits wie "Duel" oder "Dr. Mabuse" und der dazugehörigen Meilenstein-Platte "A Secret Wish" auch außerhalb Deutschlands beachtliche Erfolge. Gemeinsam mit der weiteren Ex-Sängerin der Band, Susanna Freytag, kehrte sie vor drei Jahren als xPropaganda mit "The Heart Is Strange" mit einem feinen Synthpop-Album zurück, während Ralf Dörper und Michael Mertens unter dem ursprünglichen Namen mit wärmeren, natürlicheren Tönen weitermachten.
Seit Anfang der 90er-Jahre verfolgt die in London ansässige Sängerin aber auch eine Solokarriere: "Night Mirror" heißt das nächste Kapitel. "My Life Started Today" baut sich zunächst orchestral mit Piano und viel Streichern auf, schlägt dann unter Hinzunahme poprockiger Sounds eine deutlich organischere Richtung ein, während Brücken stimmlich immer wieder zwischen betörenden Spoken Words und kurzen gesanglichen Einsprengseln pendelt. "Rosebud" erweitert den Bandsound um luftige Vocals und psychedelische Orgeltöne - das erste Highlight der Platte.
Für das zwischen 2023 und 2025 in London geschriebene und aufgenommene Album ließ sich die Sängerin übrigens von Produzent John Williams (Simple Minds, Robert Plant) und Mitmusikern von unter anderem der Lighthouse Family oder den Kaiser Chiefs unter die Arme greifen. Textlich geht es um Selbstreflexion, aber auch um Spirituelles wie Transformation und Wiedergeburt.
In "All That We Ever Have" treffen die warmen und natürlichen Klänge der Session-Musiker auf die Kühle Propagandas, was jedoch aufgrund der fehlenden, zündenden Ideen nur mäßig funktioniert. Der rockige Electro-Sound in "Sound And The Fury", ergänzt um New Wave-Synthies, steht Brücken auf jeden Fall besser zu Gesicht.
"The Only Ones" lässt den Hörer mit sphärischen, an Country angelegten Tönen und ruhigen Vocals zu unbeeindruckt zurück. Auch "Funny The Things" kommt trotz robuster Beats und dramatischen Gesangsakzenten eine Nummer zu gemäßigt daher. Trotzdem - das Durchhalten lohnt sich. "Sincerely" lockert als sehnsüchtiger, Bossa Nova-artiger Song mit viel Geflöte das Album gelungen auf. Auch "Shadow Dancer" versprüht mit akustischen Gitarrenklängen sommerliches Flair, treibt aber auf die Tanzfläche, so dass auch Fans früherer Propaganda-Hits auf ihre Kosten kommen.
Es folgt mit "To Be Loved" ein trippiges Downtempo-Stück mit Streichern und nachdenklichem Piano, das von hauchzarten Vocals und einem tollen Spannungsaufbau lebt: neben "Rosebud" der beste Track der Platte. "Dancing Shadow (Shadow Dancer Pt.2)" setzt im Vergleich zu "Shadow Dancer" lediglich eher auf Trance denn geradlinige Sounds sowie gesanglichen Einschüben hier und da, nicht sonderlich originell.
Jedenfalls konzentriert sich Claudia Brücken hörbar darauf, als Solomusikerin weiter zu wachsen. Dementsprechend sollte man, wie auf den Vorgängern, nicht allzu viel Synthpop erwarten. Am besten startet man mit dem 1991er-Album der Wahl-Londonerin, "Love: And A Million Other Things", das noch deutlich an den alten Propaganda-Sound erinnert, ihr solistisches Schaffen aber gleichzeitig gut repräsentiert. Die aktuelle Platte eignet sich für Neueinsteiger nur bedingt, sondern eher für diejenigen, die den künstlerischen Weg der Sängerin schon länger verfolgen.
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