laut.de-Kritik
Die britischen Indie-Chirurgen betäuben mit kraftvollen Songs.
Review von Jasmin LützSo manchen Männern in weißen Kitteln ist die eine oder andere Operation tüchtig misslungen. Die britischen Indie-Chirurgen Clinic antworten darauf mit kurzen aber kraftvollen Songs auf ihrem zweiten Album "Walking With Thee". Schon der Anfang lässt die unverkennbar klinisch betonten Wurzeln erklingen. Damals hieß die gelungene Behandlung noch "Internal Wrangler". Poppige Melodica-Spritzen mit einer guten Dosis 80er-Punk und einem mächtigen, jazzigen Einlauf - auch auf dem aktuellen Longplayer eine Mischung, die süchtig macht.
Mit "Harmony" begrüßen diesmal die vier Musiker aus Liverpool ihre Zuhörer. Sänger Ade Blackburn trägt seine Texte im bekanntem schwer verständlichen Redestil vor. Um daher in die Tiefe der Songs einzusteigen, ist ein beiliegendes Booklet schon von Nöten. Trotzdem fehlt dem Gesamtwerk jedoch keineswegs die einmalige Spritzigkeit. Clinic klingen wie Clinic, auch wenn man unzählige Vergleiche ziehen könnte. Monotone Sprechgesänge sezieren die Orgelklänge oder betäuben durch den Einsatz eines der schönsten Instrumente der Welt, der Harmonika!
Eine bessere Alternative zum geläufigen Dancefloor-Schrott, der auf verschiedenen Ebenen in Großraum-Diskotheken, in der Regel auf Ecstasypillen, bis in die frühen Morgenstunden zelebriert wird, wäre der Titel "Welcome". Ramones-verdächtig dann "Walking With Thee". Die Chirurgen bitten zum Pogo-Tanz und danach werden mit dem harmonischen "Pet Eunuch" die Wunden und Prellungen verarztet. Gut, dass man die weißen Männer in der Nähe hat!
"Come Into Our Room" besticht mit hervorragender Keyboarduntermalung. Und dann geht es auch schon wieder in die Insider Großraum-Disko: "The Vulture" genießt man auch ohne Drogen und mit weniger hippen Menschen, obwohl der Beatles-Haarschnitt dabei nicht fehlen sollte. Brücken werden in letzter Zeit oft gesprengt, aber "The Bridge" lädt ein zu einem langen Spaziergang im milden Sommer über die Brücke, die nur das Blaue des endlosen Atlantiks sichtbar macht!
Das erfolgreiche Studium im Vorprogramm von Radiohead scheint im letzten Jahr den angehenden Ärzten gut getan zu haben. Jetzt stehen Clinic zwar ohne Mundschutz im OP, aber dafür mit einem noch besserem Laborprojekt. Co-Produzent Ben Hillier (Blur, Elbow) leistete dazu einen ausgezeichneten Beitrag. Der bekannte House-Produzent sorgt für die richtige Stimmungsdosis. Ich kann nur hoffen, dass Clinic ihrem Stil treu bleiben und bald auch größere Hallen füllen. "Jazz When You're Winning"!
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