laut.de-Kritik
Warm, süß, samtig - und verdammt politisch.
Review von Dani FrommFür gefühlvollen Lovers Rock scheint seine Stimme wie geschaffen: Warm, süß und samtig macht der Gesang dem Namen seines Trägers alle Ehre. Schmachtende Liebeslieder genügten Cocoa Tea in seiner drei Jahrzehnte währenden Karriere allerdings noch nie.
Seit jeher bringt seine scharfe Beobachtungsgabe gepaart mit religiöser Überzeugung und umwerfender Musikalität Conscious-Reggae hervor, der trotz aller fröhlichen Eingängigkeit auch den Verstand fordert.
"Poverty ... that's what causing the crime now." Gleich zu Beginn verdeutlicht Cocoa Tea, dass er neben einer kraftvollen, melodischen Stimme auch eine Botschaft im Gepäck hat. Er legt den Finger in offene Wunden, prangert soziale Missstände, Armut und Hunger an, betreibt Ursachenforschung und schreckt auch vor dem einen oder anderen drastischen Vergleich nicht zurück.
Das Blatt vor dem Mund war Cocoa Teas Sache schon damals nicht, als ihm seine USA-kritische Haltung in der Golfkrieg-Frage Anfang der 90er ein Radio-Verbot einbrachte. Die Jahre haben ihn nicht gerade zahnloser werden lassen.
Cocoa Tea wettert gegen Ungerechtigkeiten, Kolonialismus, Umweltverschmutzung und zeigt sich in erster Linie besorgt um die nächste Generation, die all das, das heute verbockt wird, morgen und übermorgen wird ausbaden müssen. Dass all das nicht in zeigefingerschwingendem Moralisieren endet, dazu trägt die locker-flüssige musikalische Begleitung entscheidend bei.
Andreas Brotherman Christopherson sorgt für extrem basslastige, angenehm groovende Produktionen. Hübsch arrangierte Bläser, Keyboards und Backgroundchöre, dann und wann auch eine hübsch verhaltene Gitarre ("War Dust") oder ein wenig eingestreute Percussion ("Extorsionist") greifen ineinander. Sie liefern der ohnehin schon aussagekräftigen Gesangsstimme Cocoa Teas, die im Notfall auch alleine für sich bestehen würde, Rückhalt, ohne jedoch von ihr abzulenken oder sie einzuengen.
In der Hymne an Mama Africa geben, wie könnte es sinnigerweise anders sein, die Drums den Ton an. In "New World Order" geleiten Keyboards die Vocals über den blubbernden Bassteppich. Hin und wieder wagt Cocoa Tea Abstecher in den Dancehall: Allerdings bieten melodische Tunes Cocoa Tea weitaus mehr Möglichkeiten, seine stimmlichen Fähigkeiten auszuspielen, als das einfacher gestrickte "Give Dem".
Ein wenig Klassik ("Let The Dancehall"), ein Hauch von Bob Marleys "Exodus" ("Rise Up"), ein wenig Sentimentalität ("Too Far From Home") und eine kleine Predigt zum Schluss ("Sons Of Jah"). Langweilig wird es in dieser Gesellschaft jedenfalls nicht.
Wie macht Brotherman das bloß, dass sich über kurz oder lang tatsächlich alle alten Reggae- und Dancehall-Hasen auf seinem Mini-Label einfinden? Letztlich scheißegal: Solange Perlen wie "Biological Warfare" dabei sind, dürfte Minor7Flat5 meinetwegen auch mit unlauteren Methoden auf Artisten-Fang gehen.