laut.de-Kritik
Alte Balladen und andere populäre Stücke vom Ahnherr des Buena Vista S.C.
Review von Giuliano BenassiCompay Segundo wird sich ungläubig die Augen gerieben haben, als er fast neunzigjährig die Fee erblickte, die neues Glück in sein musikalisches Leben einbringen sollte: Ein gepolsterter US-Amerikaner mittleren Alters mit Pferdezopf und einem etwas nerdigen Gesichtsausdruck.
Im Nu war es vorbei mit dem Rentnerdasein. In hohem Alter wurde er Filmstar und rollte wieder eine Karriere auf, die eigentlich schon lange abgeschlossen war. Auf der Erfolgswelle reitend zog er um die Welt, mit und ohne seine Kollegen vom Buena Vista Social Club, spielte in den berühmtesten, stets ausverkauften Hallen und genoss sichtlich den plötzlichen, unerwarteten Ruhm.
Zufrieden lächelnd und Ruhe ausstrahlend präsentiert er sich nun auf dem Cover zu seiner neuesten Veröffentlichung, "Las Flores De La Vida", die Blumen des Lebens. "Auf diesem letzten Album befinden sich alte Balladen und andere populäre Stücke, die ich seit Jahren spiele, aber nie aufgenommen habe", schreibt der Musiker im Booklet.
So etwas wie ein Vermächtnis also. Dass sich darunter "Amor De Loca Juventud" (auch auf Buena Vista Social Club) und "Guantanamera" befinden, ist nur auf den ersten Blick etwas befremdend; die Platte ist so schön, dass sie die ZuhörerIn bereits während der ersten Takte in den Bann ihrer warmen, rhythmischen und entspannten Atmosphären zieht. Dabei sind es die Eigenkompositionen Segundos, die am besten rüberkommen. So der Titelsong "Ataidi 'Las Flores da la Vida'" und das lustige, in pseudofranzösisch gesungene "Oui parle Francais", kleine Geschichten, die von Liebe, Lust und den Facetten des Lebens handeln, stets mit einem freundlichen Lächeln vorgetragen, ohne jemals kitschig zu wirken - was gerade bei einem so abgedroschenen Stück wie "Guantanamera" einem Wunder gleicht.
Getragen von sanften, aber rhythmusbestimmenden Perkussionen und Blasinstrumenten - vordergründig Klarinetten, - die dem Album seinen warmen, jazzigen Hauch verleihen, ruft Segundo mit Sänger Hugo Garzòn, zwei Söhnen und einigen anderen kubanischen Musikern eine Harmonie ins Leben, von der Buena Vista Social Club nur träumen konnte. Dass sich dabei der vokale Beitrag des Namengebers mit Ausnahme des Liedes "Cazabe Y Macho" auf die zweite Stimme beschränkt, stört nicht weiter. Mit 93 hat man kaum noch das kräftigste Organ, dafür kann man mit dem Armonico, einer siebensaitigen kubanische Rhythmusgitarre, um so besser umgehen.
"Las Flores De La Vida" ist ein kleines musikalisches Denkmal. Und ein Zeichen der Hoffnung für all die Stars vergangener Tage, die sich inzwischen das Brot auf Baumarktfilialeneröffnungen verdienen. Stürzt euch nicht aus dem Fenster, ist die verborgene Botschaft, haltet Ausschau nach der Glücksfee!
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