laut.de-Kritik
Das ganze Drama in schmerzhafter Intensität.
Review von Dani Fromm"Ich setze da an, wo es weh tut", behauptet Cr7z in "Feuer Im Glas". Das darf getrost so stehen bleiben. Seine "An7ma" umfasst Themen von derart schmerzhafter Intensität, man möchte, sobald Cr7z mit einem fertig ist, aufstehen und sein Gesicht in einen Ventilator stecken, um sich wenigstens wieder ein bisschen aufzuheitern.
"Ich enter' neue Gebiete, jedes Lied ist ein Visum." Der Einreise ins Tal der Tränen steht nichts im Wege. Mit stellenweise schon ekelhaft plastischen Schreckensszenarien schildert er sein Leid, seine inneres Ringen mit dem überall lauernden, mit Engelszungen lockenden Wahnsinn, seine Erfahrungen mit Verlust, Trauer, Verletzungen, Hilflosigkeit und Zorn. Autsch.
Was ist bloß los mit dieser Welt, die eine ganze Generation todtrauriger junger Männer hervor gebracht hat? Statt in den Chor der weinerlichen Heulsusen einzustimmen, schürft Cr7z allerdings tiefer - auch auf die Gefahr hin, schwärende Wunden immer wieder aufs Neue aufzureißen. Er beweist weit mehr "Weitblick" als nur bis zum eigenen Bauchnabel. "Cr7z lässt dich das ganze Drama fühlen."
Er seziert seine Zeit, die eine kalte, sich selbst entfremdete Gesellschaft blind Technik-Gläubiger und nebenbei noch die komplette Rap-Szene mit messerscharfem Skalpell, bis am Ende nur noch blutige, brandige Fetzen übrig bleiben. "Ich hab' gelernt, dass es manchmal weiser ist, die Fresse zu halten", erkennt er. Zuweilen tut es aber trotzdem bitter Not, dass jemand ein paar Wahrheiten ausspricht. Mit Wortschatz, Wissen, und Wachsamkeit gesegnet, ist Cr7z dafür wahrlich nicht der schlechteste Kandidat.
Seinen steten Flow speist ein unablässig sprudelnder Bilderquell, der sich, je nach Bedarf, bei Physik, Philosophie oder Mystik, Musik, Literatur oder Filmen bedient. Allgemeinbildung hilft, auch wenn sie ihre eigenen Gefahren birgt - solche, denen ein Gros seiner Kollegenschaft freilich nie ins Auge blicken muss: "Mein eklektisches Denken hält mich in Fesseln."
Die Texte gestalten sich so vielseitig, wandlungsfähig und unberechenbar, dass vier, fünf, selbst sieben Minuten lange Tracks einem nicht länger vorkommen als ein Wimpernschlag. Es spricht nichts dagegen, den Dreieinhalb-Minuten-Rahmen zu sprengen, immer vorausgesetzt, dass es nicht langweilig wird - eine Gefahr, die bei Cr7z keine Sekunde lang besteht.
Diamantgeist Absztrakkt und Feinkost-Paranoiker Jamerson geben würdige Gäste ab. Die Beats, oft mit geisterhaften, mal asiatisch, mal sakral eingefärbten Gesängen oder gepitchten Vocals dekoriert, spannen einen passenden, meist ziemlich melancholischen Rahmen auf.
Wie so häufig, sorgen Kontraste für den besonderen Reiz: die Kombination aus tief brummelnden Saiten und klassischem Boom-Bap-Beat in "Fragezeichen", etwa. Die Fusion von Klimperei und knarrendem Hintergrund, die in "Feuer Im Glas" Cr7z' Zwiegespräch mit dem Teufel untermalt. Oder die Cuts, die in "Schmerzen" so erbarmungslos wie passend die Atmosphäre in Fransen schneiden.
"Vielleicht erreicht dich einer der Reime durch all den Schrott an deinem Ohr." Es lohnt sich. Cr7z schildert persönliche Traumata, zurückliegende Drogenerfahrungen, die sich zu körperlicher Pein auswachsende Qual des Verlassen-Werdens bis weit über jede Schmerzgrenze hinaus. Gleichzeitig wehrt er sich aber entschieden dagegen, im Meer der Ahnungs- und Hoffnungslosigkeit abzusaufen: "Verwechsel' mich nicht mit 'nem Pessimisten", warnt er. "Ich rette dich, wenn du am Ende bist."
Jede Hoffnung auf Gnade fahren lassen sollten dagegen besser die Scharen un- bis halbtalentierter Möchtegern-MCs, die die Hip Hop-Lande fluten. "Wie kann man sich nur dermaßen martern?" Eine berechtigte, dem gelegentlich äußerst geräderten Kritiker wohlbekannte Fragestellung. "Im Namen des Rap" führt Cr7z jedoch mit dem flammenden Schwert seiner Zunge, "jeder Reim ein Brandschatz", einen Kreuzzug gegen all die Blender, die sich im Geschäft breit gemacht haben.
Vielleicht öffnet eine Platte wie "An7ma" zumindest einem kleinen Teil der verkommenen, weil verwahrlosten Jugend die Augen über die Macht, die in Worten steckt, so man sie denn im Griff hat. Dann, mit rostigem Prügel, immer feste drauf auf jede Pop-Attitüde: "Ideal wärs, wenn Talent sich durchsetzen könnte." Oh, ja. Das wäre schön.
8 Kommentare
ja, auf die review habe ich lange gewartet, und mir nun auch schon ein detailliertes bild der platte verschaffen können.
und um es zusammenzufassen, ich kann nur zustimmen und hätte im großen und ganzen auch exakt 4 punkte gegeben, was jedoch nur daran liegt, dass er durch seine milliarden an free-tracks die messlatte unglaublich hoch gelegt hat und ich einige dieser free-tracks sogar teilweise lieber auf an7ma gesehen hätte.
von an7ma hat mich nun besonders "neue welt" erfasst, der inhalt, das setting, die atmosphäre und auch die vortragsweise, einfach alles 100% passend.
klare kaufempfehlung
Guter Mann, werde mir das Album mal reinziehen. Hoffe, es ist ähnlich gut wie das von Amewu letztes Jahr
ich finds lustig, dass dieses album wohl nichts für die ganzen leute ist, die sonst jegliche hiphop-threads vergewaltigen.
sagt viel darüber aus
ist bei mir trotz dauerloop immernoch am wachsen, ich hoffe, dass bleibt so
mp3-player ins klo gefallen
du bist so ein depp.
Neue Welt find ich sehr fresh. Ins Album muss ich unbedingt noch reinhören, könnte was für mich sein.