laut.de-Kritik
Poppige Hooks und eingängige Riffs am Fließband.
Review von Eberhard DoblerIst schon seltsam. Als unser DJ Alex "Butterfly" vor Monaten in sein Set einbaute, kümmerte sich kein Mensch um Crazy Town. Mal abgesehen vom Wiener Szeneradio FM4, das den Song schon damals als Nicht-Single auf Heavy Rotation setzte. Heute steht der Song auf Platz eins der deutschen Single-Charts und die Tanzfläche platzt aus allen Nähten. Der Song ist ein Hit keine Frage. Aber das war er schon Ende 1999, als die Rap Rocker aus Hollywood "The Gift Of The Game" veröffentlichten. Und weil die Single plötzlich einschlägt wie eine Bombe, wirft Columbia die damals wohl sehr dürftig promotete Scheibe erneut auf den Markt.
Crazy Town haben das durchaus verdient. Denn auf ihrem Major-Debut finden sich eine ganze Reihe fetter Songs. Aber Vorsicht! Wer bei "Butterfly" die Flugzeuge im Bauch starten hört, dem treten die sieben Kalifornier mit "Toxic" und "Think Fast" in bester Body Count-Manier in den Vollmond. "Only When I'm Drunk" rockt dann die letzten Frühlingsgefühle in den Boden. Crazy Town machen im Rap'n'Rock-Geschäft zweifelsohne eine gute Figur.
Trotzdem ist es erstaunlich, wie mühelos die Kalifornier alles, was in ihrem musikalischen Universum anerkannt ist oder Erfolg verspricht, verwursteln. Man höre sich den Track "Darkside" an. Die musikalischen Wurzeln Crazy Towns sind jedenfalls im Hip Hop zu suchen. Den Ritterschlag besorgt hier KRS-One auf "B-Boy 2000". Eines zeichnet die Band aber besonders aus: Poppige Hooks und eingängige Riffs fabrizieren sie am Fließband. Ob im rockenden "Face The Music", im melancholischen "Black Cloud" oder im düster-pumpenden "Lollipop Porn". Irgendwo hört man immer hitverdächtige Klänge. Die voraussichtlich nächste Single-Auskopplung "Revolving Door" zum Beispiel ist ein Parade-Ohrwurm erster Güte.
Über die Texte gibt es nicht viel zu berichten. Der Hinweis "Parental Advisory, Explicit Content" erspart einem in diesem Fall die mühevolle Arbeit, das Textheft durch zu lesen. "Political Correctness" und tiefschürfende Inhalte sind sicher nicht die Stärken der Kalifornier. Aber wen dieser Crossover-Sport stört, dem gröle ich spätestens nach drei Bier mit Crazy Town entgegen: "So fuck the critics. We leave them hanging like INXS." Oder schneide ich mir da ins eigene Fleisch?
1 Kommentar
….. wie oft ich das Album vor 21 Jahren immer wieder enttäuscht abbrach, ins Regal zurücksteckte und dann doch wieder rausholte. Irgendwann wurde aus Hass eine immer größere Neugier und dann sogar Liebe…..
Immer dann wenn man nicht wahrhaben will dass seine „Helden*innen“ eben keine Meisterwerke mehr raushauen, setzt dieses Phänomen ein welches man auch als „etwas schönhören“ bezeichnen kann.
Ich stelle fest dass ich, je älter ich werde, immer weniger dazu bereit bin mir etwas auf Teufel komm raus schönhören zu wollen.
Manchmal muss man es einfach einsehen.
Dieses Machwerk ist nicht hörbar aber was soll‘s?
In ihrer Discografie finden sich jede Menge tolle Sachen die einem niemand nimmt!