laut.de-Kritik
Pop und Popkultur in Reinform.
Review von Jeremias HeppelerMit "Lennon 2" formen DAT ADAM ein federleichte bis durchsichtige Klang-Seifenblase, angeschoben von einem mehrschichtigen Beat-Bass-Gebäude und von verträumt dahin geschmatzten Textventilen: "Scheiß mal auf Besitz und auf Status/ Alles Illusion und weiter nichts/ Scheiß mal auf die Missgunst, den Hass und/ Scheiß auf das, was keinen weiterbringt, denn: Love is all we need!" Leider bricht der zweite Teil des Songs ein wenig ab, die Blase platzt in neonfarbenen Rapsalven. Wohlige Hippie-Zuckerwatte-Utopie statt erdrückender Straßen-Dystopie? Ich bin verwirrt.
Als Dat Adam sich diesen Herbst zur Rap-typischen Promophase für ihr über Nacht erschienenes Album "HYDRA 3D" aufschwingen, geht es unter den YouTube-Videos der einschlägigen Hip Hop-Portale heißer her als in Star Wars Weltraumschlachten. Hip Hop-Heads duellieren sich mit Fangirls, verbissene Trolle treffen auf Internet-Gangster. "Warum hat der affe nen Mundschutz", "Sorry, aber was haben die auf diesem Kanal verloren?“ und "haahahhahahaha ardy richtiger gangster, der ist richtig cool xD so ne lachfigur" schreit es da virtuell von der einen Seite. "Alter die Kommentare hier sind so peinlich.. wer hat euch eigentlich ins Gehirn geschissen, dass ihr die drei wegen ihrem Aussehen hated, so was von zurückgeblieben.", "T hat nen schwarzen Hydra Clique Pulli, den gibts nich im shop omg." und "heul halt" schallt es dann scheppernd zurück.
Wer genau hinhört, der wird schnell merken, dass all die Aufregung so überflüssig ist wie die Videos von YouTube-Ausbeutern wie ApoRed oder Simon Desue. Denn "HYDRA 3D" steckt ein anregendes, weit verzweigtes Album ab, das zweifelsohne eine Daseinsberechtigung besitzt und einen wertigen Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um Trap und Cloudrap und Cloudtrap und Weißdergeierrap leistet. Das Rad aber, so viel ist auch klar, wird von Dat Adam nicht neu erfunden und auf dem dargebotenen Anti-Pasti-Menü schimmeln auch so einige richtig saure Gurken. Wer das Trio aber grundlegend ablehnt und aufgrund seiner medialen Herkunft ungehört mit Ignoranz straft, der denkt zu kurz und macht sich unglaubwürdig. Denn dafür erscheint "HYDRA 3D" schlicht zu facettenreich, kreativ und neuartig.
Damit wären wir beim Punkt: Dat Adam klingt aufgrund ihres massiven Einsatzes von Autotune und Soundeffekten extrem künstlich, plastisch und für ungeübte Ohren durchaus befremdlich. Die Fachpresse hat dafür den Fachbegriff Cloudrap geprägt (ob dieser auf die virtuelle Cloud oder den wolkigen Sound zurückzuführen ist, daran scheiden sich die Geister), im Bezug zu Dat Adam nutzt sie zudem gerne Metaphern aus dem Science Fiction-Bereich. Abgespaced! Cyborgs! Futuristisch! Die beiden ehemaligen YouTuber Taddl und Ardy befeuern diese Zuordnungen in ihren Texten, auch die Videos offenbaren nicht selten einen entsprechenden Space-Look. Im Gegensatz dazu propagieren Dat Adam aber auch aktive Hinwendung zur Natur und Abwendung von Kapitalismus. Man mag es kaum glauben: "HYDRA 3D" ist vor allem auch ein politisches Album.
Besonders zu Geltung kommt das auf "Sanageyama", dem unbestrittenen Fixstern des Album. Produzent und Mastermind Marley liefert einen Blade-Runner-Beat, auf welchem Taddl zunächst im massiven Autotune-Mantel referiert, aber schon bald zum Tobsuchtsanfall ausholt: "Warum sind so viele in ihr Ego verliebt?/ Warum ist 'ne Demokratie keine Demokratie?/ Und warum haben nicht alle Wesen ein Leben verdient?/ Es fuckt, fuckt, fuckt, fuckt, fuckt mich einfach nur ab..." Jawoll, genau in diesen Modus möchte man viel mehr Nachwuchskünstler hören. Überhaupt scheint das ganze Album von einer offenen, wilden Lust am schonungslosen Experimentieren geprägt. Da können sich eine Menge Newcomer eine ordentliche Scheibe von den belächelten YouTube-Rappern abschneiden.
Aber was ist mit dem Rap? Kann denn nicht einer mal an den Rap denken? Genau genommen spielt Hip Hop auf "HYDRA 3D" beinahe die Nebenrolle, deren wichtigste Sätze im Studio weggeschnitten wurde. Das Album hat seine schwächsten Momente, wenn es explizit nach Cloud oder Trap klingt und sich dabei soundtechnisch anbiedert. Exemplarisch hierfür stehen das echt langweilige "Party In The Clouds" oder der Rohkrepierer "Never Growin Up".
Als weiteren Kritikpunkt muss man definitiv die Tatsache anführen, dass die Stimmen der beiden MCs selbst bei konzentriertem Hinhören kaum zu unterscheiden sind. Die Sprachsalven vermischen und überlagern sich stetig, bis wie im Wasserfarbenkasten nur eine graue Suppe bleibt, die in diesem Falle mit Hilfe von Filtern und Masken in ein annehmbares Licht gerückt wird. An den durchsichtigen Sollbruchstellen lässt sich aber feststellen, dass in Taddl im Vergleich zu seinem Kollegen der definitiv fähigere Rapper steckt, der punktuell echte technische Versiertheit präsentiert – etwa auf dem Titeltrack "HYDRA 3D", dem wohl saubersten Song der Scheibe.
Als einziges wirkliches Ärgernis offenbart sich der Umgang der beiden MCs mit Sprache. Immer wieder werden solide Textpassagen durch ungeheuerliche Denglish-Injektion gesprengt und hierbei vollkommen entkräftet. So heißt es im ansonsten passablen, aber harmlosen "Demons": "Die motherfucking Demons in mir plagen mich/ (...) Bin die letzte Zeit so confused - Ey, was soll ich nur tun?" Das hier ist häusliche Gewalt an der deutsche Sprache! Selbst gut formulierte Botschaften wirken durch die blöde Fantasiesprache unfreiwillig komisch. Das ist doppelt schade, weil die Wortkreationen keinerlei Mehrwert haben, die Hörer aber immer wieder aus den Songs katapultieren. Dat Adam bringen sich auf Textebene grundlos um ihren wohlverdienten Lohn.
Ihr merkt schon, mein Verhältnis zu dieser Platte ist überaus ambivalent. Am Stück durchhören etwa erscheint vollkommen unmöglich, weil hier umgehend eine massive Überreizung stattfindet. In jedem Fall sollte aber unterstrichen werden, dass der Mut selbstbewusst neue Wege zu gehen, immer Respekt verdient hat. Ebendieser Geist geht der deutschen Popszene mit all ihren Max Giesingers und Wincent Weiss´s total ab. Dat Adam aber sind Pop und Popkultur in Reinform. Und eben weil das Trio eine Fülle von seltsam neuartigen Soundsequenzen liefert und unbeeindruckt voranschreitet, gehört "HYDRA 3D" zu den deutschen Alben 2016, die man gehört haben sollte. Und sei es nur, um nach wenigen Tracks genervt abzuschalten.
4 Kommentare
Ok, es ist nicht unbedingt meine Musik. Aber ich finde es ziemlich cool, wenn talentierte junge Leute ihr Ding durchziehen und sich aus dem quasi System befreien können.
Die Beats sind teilweise wirklich gut gemacht.
Diese Kritik trifft meine Meinung sowas von auf den Punkt! Das einzige, was ich noch zusätzlich hervorheben würde, ist die Produktion, die einfach extrem gut ist. Habe Marley immer sehr unterschätzt.
Aber ich habe auch ein Problem damit das Album am Stück durchzuhören und das, obwohl ich es gewohnt bin auch mal lange Platten am Stück zu hören, weil ich mich gerade im Progrock sehr zuhause fühle, wo die Platten gut und gerne mal 70-80 Minuten gehen, aber hier empfinde ich es echt als zu anstrengend. Vermutlich hätten schon zwei Tracks in der weniger starken zweiten Hälfte gereicht.
Bin trotz der selben Meinung eher bei 4/5, weil ich lange kein so spannendes Release mehr gehört habe, den Mut muss man belohnen.
Mucke geil, Produktion Weltklasse, aber die Texte einfach nur Krebs.
Einzigen legitimen YT-Rapper... mehr als 3/5 würde ich auch nicht geben. Aber das ist schon verdammt viel im Vergleich zur Konkurrenz. War letztens wirklich überrascht, als YT mir das nach Goony und Young Kira zugespielt hatte.
Ich meine, eh klar, dass ich das jetzt nicht privat auf rotation höre, doch ich kann es genau so wenig haten.
Anlass für meinen Beitrag ist dieses durchwachsene Video mit Koree, in dem er YT-Rapper bewertet - das Ganze findet in Königssteins Sendung statt. https://www.youtube.com/watch?v=aZAv6DVRDAk
Eigentlich nur für die Aussage zu ApoRed sehenswert, Rest zeimlich... naja, seht selbst.