laut.de-Kritik

Mitten im Unterschichtenfernsehen.

Review von

"Wo die Rammelwolle Fliegt" ist das erste Album von Adolf Noise, der aber eigentlich als unser aller Liebling DJ Koze Platten veröffentlicht, wenn er nicht mit Bands wie International Pony oder Fischmob in Zusammenhang gebracht wird oder unter dem Alter Ego Monaco Schranze fuhrwerkt. Kennt irgend jemand noch Stefan Kozalla?

Der Einstieg in Adolfs Debüt bringt uns mitten ins Unterschichtenfernsehen, mit Katja Burkards einleitenden Worten zum Gunter Gabriel-Pöbelskandal von Sachsen-Anhalt. "Zuviel Zeit?" hätte in ähnlicher Form vielleicht auch von Stefan Raab produziert werden können, auch hier ummantelt Musik ein TV-Zitat. Dass sich ein Erfolg wie "Maschendrahtzaun" einstellt, darf eher bezweifelt werden - was sicher nicht an der mangelnden Qualität von "Zuviel Zeit?" liegt.

Wie noch häufiger auf dem Album wirkt die Musik entspannend, ein paar Elektro-Glockenspielereien führen samt Klavier die nöligen "Ihr habt ja soviel Zeit! Sonst wärt ihr ja nicht am Nachmittag schon hier!"-Äußerungen des Country-Rockers ad absurdum. Einziger Wermutstropfen: Beim ersten Mal ist die einminütige Einleitung noch recht interessant, später nervt es einfach.

Weiter geht es mit "Bäume Strahlen Stress Aus", einem Ambient-Stück, das durchaus seinen Platz in der Space Night finden könnte. Das Lied hört sich an wie der erste Waldspaziergang am Tag, nachdem man das Rauchen aufgegeben hat. Während der Sinn für Gerüche langsam zurück kehrt, verändert der Entzug auch ein klein wenig die Wahrnehmung. Und nach fünfeinhalb Minuten mutieren Bäume eben zu Stressfaktoren. Ebenfalls in die Chill Out-Kerbe schlägt "M.I.S.S. Ufo' 72", möglicherweise eine Huldigung an den eigenen Jahrgang, aber in jedem Fall das vorerst letzte (wenn überhaupt) ernst zu nehmende Stück, bevor es richtig absurd wird.

Mit "Der Grundton" treffen wir auf ein Lied, das niemals ein Lied sein wird. Für die einen spannende Abbildung eines Entstehungsprozesses, für die anderen Elektro-Comedy, mit der Betonung auf Comedy. Song Nummer fünf, sinnigerweise "Anspieltipp: Titel 5" benannt, wird seinem Namen überhaupt nicht gerecht. Wenn hier einer spielt, dann allein Adolf Noise. Sicher etwas für diejenigen, die abgespulte Samples suchen, aber sicher nichts Dauerhaftes. Der Sinn von "Gymnasium Feat. Wolf GTI" erschließt sich wohl allein dem Musiker und denen, die an der Erstellung beteiligt waren. Das gilt auch für "Scene De La Vie De Rauf Denktasch". Am besten beides überspringen. Mit "Steffex Twin" kommen rechtzeitig so etwas wie Musikspuren zurück, wenn auch ohne größere Strukturen. Wirklich prägnant ist aber nur der an Meister Aphex angelehnte Songtitel.

Danach wird es "eher schief als eben" aber gut, auch wenn "Jackpot Remix" sicher nicht der beste Tocotronic-Remix von Koze - pardon - Adolf Noise ist. "Hallo Welt ...!" zeitigt dann wieder einen absurden Rückschritt weg vom Sinnvollen (oder gar Schönen), doch bevor sich der Hörer über diesen knappen Bruch aufregen kann, beschwichtigt auch schon "Last Night Of The Year", umrahmt von Schallplattenknacken. Adolfs Comedy-Anspruch ist auf Dauer etwas ermüdend, so dass "Amerikas Funniest Sound Effects" auch in etwa so funny daher kommt, wie es bei Comedy aus Deutschland meistens der Fall ist.

Gegen Ende stellt "Geklöppel B Zwei" nochmal ein entspanntes Stück dar, das größtenteils ohne Bässe auskommt, einmal mehr Glockenklänge und ein paar swingende Element enthält. Ein Stück, das den Songs von International Pony sicher am nächsten kommt. "Was Ist Zuviel Zeit? (Dub)" klingt stark nach Reprise, plätschert allerdings nur so dahin, und ist eigentlich der ideale Übergang zu "Cadaques En La Noche". Bei dem vermeintlich letzten Stück handelt es sich um unbearbeitete Aufnahmen vom Strand im Spanischen Cadaque, d.h. etwa vier Minuten Wellenrauschen mit Hintergrundgeräuschen.

Und auch wenn der letzte Höhepunkt nun schon länger zurück liegt, in bester Otto-Manier hört man Adolf Noise "Einen hab ich noch!" schreien, bevor als Hidden Track "We Are The World" vom "ungefähr 36 Stimmen-Mann" intoniert wird. Eine gelungen Melange aus Comedy, Pop, Gesellschaftskritik und Augenzwinkern, umrahmt von den Zeilen: "Liebes Afrika, wir als Erste Welt haben in der Vergangenheit viel Scheiße gebaut. Das wissen wir. Da gibts nichts dran zu beschönigen. Und deswegen, als Wiedergutmachung, haben wir dir einen Song aufgenommen." Das kann man so stehen lassen. Insgesamt ist diese Platte bei weitem nicht das Stärkste, was das Kozalla'sche Oeuvre zu bieten hat und eignet sich wohl eher nur für Sammler ("Jackpot-Remix") und Verehrer ("Zuviel Zeit?"). Zu einer Empfehlung für alle anderen fehlt leider "Deine Reime Sind Schweine".

Trackliste

  1. 1. Zuviel Zeit?
  2. 2. Bäume Strahlen Stress Aus
  3. 3. M.I.S.S. UFO'72
  4. 4. Der Grundton
  5. 5. Anspieltipp:Titel 5
  6. 6. Gymnasium Feat. Wolf GTI
  7. 7. Steffex Twin
  8. 8. Jackpot Remix (Previously Unreleased)
  9. 9. Hallo Welt ...!
  10. 10. Last Night Of The Year
  11. 11. Scene De La Vie De Rauf Denktasch
  12. 12. Amerikas Funniest Sound Effects
  13. 13. Geklöppel B Zwei
  14. 14. Was Ist Zuviel Zeit? (Dub)
  15. 15. Cadaques En La Noche

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