laut.de-Kritik

Sanfte Solo-Vorstellung des Depeche Mode-Sängers.

Review von

Es passiert äußerst selten, dass der Werbe-Slogan einer Plattenfirma ein Albumprojekt prägnant und treffend umschreibt. Nicht so in diesem Fall: "Dave Gahan ist die Stimme von Depeche Mode" schallt es aus dem Hause Mute. Ein nüchterner Satz, der erst bei genauerer Betrachtung auf die eigentliche Brisanz der Veröffentlichung hinweist: Es bleibt nur noch die Stimme. Denn auf "Paper Monsters" singt der Depeche Mode-Frontmann zum ersten Mal in über 20 Jahren nicht die Songs von Martin L. Gore, sondern seine eigenen. Das Resultat fällt überraschend sanft aus.

Die Single-Auskopplung "Dirty Sticky Floors" weckte zunächst spontane Assoziationen an Depeche Modes letzten Rockausflug "Barrel Of A Gun", was der Wahl-New Yorker sicher als Kompliment auffassen würde. Zwangsläufig muss sich "Paper Monsters", das in Zusammenarbeit mit Siouxsie & The Banshees-Gitarrist Knox Chandler und Sigur Rós-Produzent Ken Thomas entstand, nämlich mit Gores routiniertem Songwriting-Talent messen lassen, was zwar nicht ganz fair, aber eben auch unumgänglich ist.

Die Klasse der Single erreicht Gahan mit drei weiteren Songs. "Hold On" ist eine zarte, von Wehmut getragene Ballade, die dennoch den vorsichtigen Optimismus transportiert, der sich in den Zeilen verbirgt. Die Melodieführung erinnert dabei auffällig an Eskobar. In "Bottle Living" frönt er - leider zum einzigen Mal - hemmungslos dem Rock'n'Roll, stilecht mit Gitarrenwalze und cooler Stones-Blues-Harp. Die Slide-Gitarre packt er auch im Album-Juwel "Black And Blue Again" aus, einem von Percussions angetriebenen, schaurigen Balladen-Monolith, das in einem orgiastischen Streicher-Finale gipfelt.

Vor allem bei diesen Songs merkt man Gahan den Spaß an, den er dabei hatte, sich frei von jeglichen Kompromissen am Mikro auszutoben. Dagegen spiegeln "A Little Piece", das seiner Tochter gewidmete Wiegenlied "Stay" und allen voran "I Need You" eine seltsame Ideenlosigkeit wider. Hinter der bekannten Stimme tut sich plötzlich eine Lücke auf und man vermisst dieses fesselnde Element der Melodien, auf das sie sich normalerweise stützen kann.

Auch hinsichtlich der bekannten Kunst Gore'scher Text-Metaphorik muss man ab und an schmunzeln, etwa wenn Gahan allzu klischeebehaftete Kreuzreime auftischt ("When I trust in you, you can trust in me - maybe someday we can all be free"). Gegen Ende hebt sich noch das Cure-rockige "Hidden Houses" aus der mitunter seichten Schwerfälligkeit hervor, bevor die Ballade "Goodbye" mit fettem Drum-Gewitter die Solo-Vorstellung schließt. Bei aller Kritik hat Dave Gahan doch immerhin den Beweis erbracht, dass er mehr als "nur" ein guter Sänger ist. In Zukunft wird es für Martin Gore schwierig werden, Songs von ihm abzulehnen.

Trackliste

  1. 1. Dirty Sticky Floors
  2. 2. Hold On
  3. 3. A Little Piece
  4. 4. Bottle Living
  5. 5. Black And Blue Again
  6. 6. Stay
  7. 7. I Need You
  8. 8. Bitter Apple
  9. 9. Hidden Houses
  10. 10. Goodbye

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