laut.de-Kritik
Schönes Spätwerk einer Folk-Rock-Legende.
Review von Kerstin KratochwillDer bald 80-jährige David Crosby muss sich und seinen Zuhörern kein Spektakel mehr liefern – das hat er schon zur Genüge: Stichwort Gefängnis, Drogen, Trennungen, Wiedervereinigung, Samenspender für Melissa Etheridge etc. "Free" und "For Free" macht das Gründungsmitglied der Byrds und Crosby, Stills And Nash (And Young) auf seinem Spätwerk nun den entspanntesten und harmonieseligsten Sound, den man sich vorstellen kann.
Das stimmungsgebende Titelstück stammt aus der Feder von seiner Ex-Freundin Joni Mitchell, zusammen mit Singer-Songwriterin Sarah Jarosz gibt er dem zarten Song über einen Straßenmusiker, der im Gegensatz zu den Interpreten keinen kommerziellen Erfolgen hat. Im Text heißt es: "Nobody stopped to hear him / Though he played so sweet and high (...) He played real good – for free". Das Vorbeiströmen von guter Musik, kostenlos und kaum beachtet, spiegelt sich heute im Streaming, in dem die Freiheit des Veröffentlichens mit der "For Free"-Internetkultur kollidiert. Crosbys Wahl, das schlichte Stück "For Free" als Titeltrack zu wählen, ist sein sublimer aber auch starker Diss gegen das Streaming-Geschäft.
Musikalisch schweben die Songs geradezu voller jazziger, countryesker und folkiger Leichtigkeit, die Americana atmen und Harmonien umarmen sowie von Crosbys samtener Stimme getragen werden. Mit vielen Gästen, darunter sein Sohn, der Multi-Instrumentalist James Raymond, Michael McDonald sowie Donald Fagen von der Fusion-Ikone Steely Dan entfaltet Crosby hier einen Sound, der leicht daherkommt, aber voller vertrackter Strukturen und komplexen Melodien ist.
Vor allem im herausragenden "Rodriguez For A Night", das Fagan schrieb, ist dies evident: Der Track ist nach dem Tod von Walter Becker ein wahrhaftiger Steely-Dan-Song geworden, der Fans die Tränen in die Augen treiben dürfte.
Spektakulär ist das alles dennoch nicht, dafür etwas viel Besseres: Beeindruckend und zugleich berührend.
4 Kommentare mit 4 Antworten
Wunderschön. Hört alle schon mal jetzt rein, damit ihr bei den demnächst rauskommenden Indie-Filmen sagen könnt, ihr kanntet Teile des Soundtracks schon vorher.
Es ist kaum zu glauben, dass David Crosby immer noch am Leben ist und (sogar überraschend gute) Musik veröffentlicht. Habs nicht bereut, mal reingehört zu haben, obwohl ich sog. „Alterswerken“ in der Regel kaum was abgewinnen kann.
Ist wirklich angenehm, und saftig produziert/gemixt dazu. Kommt auf die Liste.
Der Mann heißt Donald Fagen...
Nein, der heißt David Crosby.
...?
in einem Absatz korrigiert, im nachfolgenden nicht. Bravo, "professionelle" Journalisten, wir kommen der Sache näher!
Dann lieber Bing Crosby oder gleich Chandler Bing.