laut.de-Biographie
Delphic
Das Label Kitsuné Music aus Paris dient als eines der besten Beispiele für die Neu-Platzierung von Popmusik im Netz-Zeitalter. In den 2000ern zur hohen Hausnummer im Rave-Revival gewachsen, zeigt Kitsuné, dass der physische Ort gegenüber dem Webspace deutlich an Gewicht verloren hat. Es sind in erster Linie englische und deutsche Acts, die der Plattenfirma heute das Gesicht geben - nicht die Anschrift in der französischen Hauptstadt.
Kitsuné hat seine Fühler vor vielen anderen in die Clubs von London und Berlin ausgestreckt und feine Elektropop-Acts für sich verpflichten können: Digitalism, Boys Noize und Simian Mobile Disco, Late Of The Pier und die Klaxons veröffentlichen auf dem Indie und stiegen quasi über Nacht zu Helden einer neonleuchtenden Bewegung auf. Weil New Rave wiederum aber letztlich doch eine Schublade bleibt, die jedem ambitioniertem Label auf Dauer zu eng werden muss, setzt man auf eine Evolution, die dessen elektrorockendes Idiom mitnimmt und neu kontextualisiert. Siehe Delphic.
Das 2008 gegründete jugendliche Dreigespann stammt ausgerechnet aus der Ex-Arbeiterstadt Manchester, in den ausgehenden Achtzigern bekanntlich dank Ecstasy und Happy Mondays Initiationsort der Rave Music. Rick Boardman, Matt Cocksedge (Gitarre) und James Cook (Bass, Lead Vocals) kreieren auf ihren Laptops einen Soundraum, der einerseits stark auf treibenden Dancerock setzt, andererseits an die Factory-Aushängeschilder New Order angelehnt ist. Ihr Synthpop gelingt der Spagat der drei Es: Er ist eklektisch, elegisch und energetisch zugleich.
Der Bürde, die aus Herkunft und Referenzsystem rührt, sind sich Delphic dabei vollkommen (selbst-)bewusst. "Wenn es so etwas wie ein 'neues' Manchester geben sollte", kommentiert Boardsman frei von jeglicher Überheblichkeit, "können wir hoffentlich für die Stadt das sein, was Joy Division für das 'alte' Manchester war." Allerdings: "Uns ist es sehr viel wichtiger, als Musiker und Künstler bekannt zu sein, als irgendeinen Rockstar-Status zu besitzen." Was abseits von Wunschdenken zumindest das Ziel jeder ernstzunehmenden Formation sein sollte. Mit einem Label wie Kitsuné im Rücken, dass in Delphic "den logischen nächsten Schritt nach den Klaxons" sieht, der musikalische Klasse mit dem 90er-Appeal von Orbital verwebt, sind die Voraussetzungen jedenfalls hervorragend.
"Die Gitarre ist tot, lang lebe die Gitarre", proklamiert Boardman deshalb. "Man kann sie wie einen Synthesizer benutzen und so viel mehr aus ihr herausholen, als bloß auf Akkorden herumzureiten." Keine neue Erkenntnis, aber gerade live ein hochexplosives Gemisch. Dann untermauert Drummer Dan Hadley den unterbrechungsfreien Vortrag, der in seiner Form eher den Chemical Brothers - Tom Rowlands ist Fan - denn einer klassischen Indierock-Formation gleicht.
Wem das noch nicht genug Eklektizismus ist: Delphics erste Single erschien auf einem belgischen Techno-Label, auf Tour gehen sie mit Bloc Party und produziert hat ihr Debütalbum "Acolyte" ein gewisser Ewan Pearson (Remixes für The Rapture, Ladytron, Depeche Mode).
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