laut.de-Kritik
Nur eine Handvoll Perlen.
Review von Artur SchulzAusgerechnet der für ein Album so wichtige Einführungstrack zieht sich leider ähnlich in die Länge wie jüngst Felix Baumgartners Weltallsprung aus rund 39.000 Meter Höhe. Die Akustikgitarre klimpert, Diane säuselt, doch der Song kommt nicht in die Puschen. Das ganze Unterfangen treibt spannungsarm dahin, und bietet einfach keinerlei packende songwriterische oder lyrische Höhepunkte.
Nach dem missratenen Opener bringt "Seltsam Still" dann (zunächst) etwas Schwung in Diane Weigmanns neues Album "Kein Unbeschriebenes Blatt". Das Arrangement ist dank Bläser-Einlagen angenehm straff und powerpoppig gehalten.
Dazu sorgen die eröffnenden Zeilen für richtig Spannung, in welche Richtung sich das Thema wohl bewegt: "Es herrscht Krieg in der Stadt auf den Straßen / da vorn geht irgendwer in die Luft" - doch allzu rasch versandet die Nummer in in betuliche Zweisamkeitsgedanken. Der bewusste (deutschhändige) Retrogriff in die Sixties-Beatkiste, Abteilung Supremes ist bei z. B. Stefan Gwildis oder den Mobylettes mit mehr Soul und Lässigkeit versehen.
Gern thematisiert Diane Weigmann Beziehungskisterei mit allem, was dazugehört. Allerdings wecken Zeilen der Güteklasse "Ich hab' das Gefühl, du warst immer schon hier / als wärst du immer schon ein Teil von mir" in erster Linie Erinnerungen an Hecks ZDF-Hitparade. Zwar eine liebenswerte Sache, wenn in einer erwachsenen Frau noch immer das Poesie- und Obplatenalbummädchen steckt. Doch wirkliches Forever Young existiert in der Realität nur als alphaville'scher Drei-Minuten-Traum.
Und dann taucht er auf, der untadelige Klasse-Song, der beweist, über welche Fähigkeiten Diane Weigmann tatsächlich verfügt: "Tief" ist ein gelungenes Beispiel für emotionalen, handgemachten Pop mit beispielhaftem Songaufbau, feinen rhythmischen und stimmungschaffenden Accessoires inklusive runder Lyrics-Entwicklung. Über sieben Minuten läuft der Track - keine Sekunde, keine Zeile erscheint überflüssig, und zum ersten Mal auf dem Album fühlt man sich wohlig hin- und weggerissen.
Weiteres hörenswertes Schmankerl: das dezent den früheren Weigmann-Hit "Das Beste" zitierende "Fast Zu Schön Um Wahr Zu Sein". Effektives Arrangement, quirlig umhertanzende Spannungsbögen und ein poetischer Text verbinden sich zu herzwärmendem Singer/Songwriter-Pop. Auch das angerockte "Ein Zimmer In Berlin" zählt zu den Highlights. Nicht zuletzt wegen des Duettpartners Matthias Schrei, besser bekannt als Die Blockflöte Des Todes.
"Kein Unbeschriebenes Blatt" markiert für das ehemalige Lemonbaby einen weiteren Schritt hin Richtung künstlerischer Emanzipation und Unabhängigkeit. Hinter dem Album steht diesmal keine etablierte Company, denn Diane hat mit Rotschopf Records ihr eigenes Label gegründet.
Als Produzent fungierte Jens Oettrich, und der überzeugt durchweg mit blitzsauberer Inszenierung der Weigmann-Songs. Leider beläuft sich die Zahl der überdurchschnittlichen Tracks nur auf eine bescheidene Handvoll - der große Durchbruch dürfte also auch diesmal ausbleiben.
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