laut.de-Kritik

Heiko und Roman machen ihr Youtuber-Leben zu Musik.

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Wer kennt sie nicht, die beiden gehyptesten Zwillinge Deutschlands: Instastory frei für Heiko und Roman Lochmann. Bestimmt sind sie euch in eurem Feed zwischen der letzten Ansage von Montana Black und dem neuen Makeup-Tutorial von Shirin David schon mal aufgefallen mit ihrem Hammer-Content zu verschiedenen Dingen. Und nicht erst seit gestern machen sie auch Musik, die die Herzen der jungen Fans schneller schlagen lässt. Schon von Kindesbeinen an hatten sie die Leidenschaft (englisch: die Passion) in sich, auch Musik zu machen. Angefangen haben sie das auf ihrem Youtube Kanal mit geilen Musikverarschen von berühmten Liedern. Doch schnell war das den Lochi-Boys nicht mehr genug. Heiko und Roman wollten ihr eigenes Youtuber-Leben zu Musik machen. 

#whatislife zeigt den Fans alle Seiten von diesem Leben hautnah. Nicht nur die Ober- und Unterseite, sondern auch die anderen. Wie das Leben eben, manchmal heißer Flirt, manchmal aber auch wahre Liebe, manchmal Dagi Bee, manchmal Shirin David. Die Lochis geben ihnen (englisch: den Fans) ein Album voller Hits, aber auch mit Songs zum Chillen. Kein Wunder, dass die Teens völlig verrückt sind von ihrem poppigen, energievollen Sound. Rappen können sie auch: Ihre smoothen locker-flockig-softig-unbeschwert-wolkigen McFlurry-Flows bringen die Girls zum Kreischen; der Sound, mit dem man im Sommer bei den Mädels punkten kann.

Ich habe es selbst erfolgreich ausprobiert, stehe ich doch oft genug an einem lauen Sommerabend in Berlin vorm Matrix an meinen SUV gelehnt, Hemd bis zur Wampe aufgeknöpft, #whatislife aus den Boxen flötend, und wedele mir unauffällig Abiturientinnen auf Abschlussfahrt herbei, die aussehen wie Shirin David, mit einem Beutel voll etwas, das irgendwann einmal Koks war (denn es geht jetzt seit zwei Jahrzehnten bergab mit der Industrie, meinem Kontostand und meiner Ehe, und A & R bei Warner Music ist auch nicht mehr der Job, der er mal war, mein Ticker hat keinen Respekt vor mir, meine Kinder erst recht nicht, Shirin David hat mich auf Instagram und Facebook blockiert und die Lochis sind meine letzte Hoffnung, bitte kauft die CD).

Kleiner Scherz am Rande. Muss auch mal sein. Wenden wir unseren Blick taktvoll ab vom Warner-Music-A & R, wie er vom Matrix-Türsteher aufs Maul bekommt, weil er schon wieder versucht hat, über den Eintritt zu feilschen, und beschauen uns das Produkt einmal ganz nüchtern: Die Lochis machen Pop der harmlosesten Sorte, dermaßen glattgeleckt, dass sich die pubertäre Zielgruppe darin im Spiegel betrachten kann: "Kein Bock auf Hektik / Sofa und Netflix / selbst die Tür aufmachen für den Pizzamann ist lästig" ("Laaazy") illustriert die gelegentliche Gefühlslage eines/einer durchschnittlichen 15-Jährigen ebenso wie den Lifestyle der umjubelten Youtubestars, die auch einfach mal Pause brauchen vom wilden Leben zwischen Autogrammstunden in der Shopping Mall und Meetings mit dem PR-Team. Zudem sind die Lochis offenbar weltgewandte Jetsetter, schon mal in Thailand gewesen, und sprechen deswegen "lazy" wie "läise" aus.

Das Instrumental dazu, wie alle auf dem Album angeblich live eingespielt, ist, ebenfalls wie alle auf dem Album, beachtlich kristallklar produziert. Besser gesagt dermaßen klinisch sauber, dass es genau so gut aus dem Computer kommen könnte. Bisschen Klavier, bisschen hier ein paar freche Trapdrums, da bisschen dicker Bass, ohne das irgend etwas davon hervorsticht. Die Blaupause dafür hat schon vor einigen Jahren ein gewisser notorischer Panda gezeichnet und damit mächtig Kasse gemacht.

"Sie ist eher ein bisschen schüchtern / Samstagabend eher nüchtern / Und ihre Lache ist ihr peinlich / Und in der Dusche singt sie heimlich" ("Alpha Queen") stammt ebenfalls direkt aus "Minderjährige manipulieren für Dummies", welches ein gewisser notorischer Warner-Music-A & R den Lochis ausgeliehen hat. Die Methoden, mit denen man introvertieren Mädchen in der Pubertät vorgaukelt, genau sie seien gemeint und keine andere, haben sich seit den Neunzigern nicht wesentlich geändert. Im selben Stil singen sie die Hook: "Meine Alpha Queen / Sie hat Applaus verdient / Auch wenn keiner außer mir das in ihr sieht." Da drängen sich unappetitliche Szenen auf, wie einer der Lochis ein junges Fangirl von oben herab anlächelt, zu sich auf die Bühne zieht und ihr sagt, dass sie viel hübscher ist, wenn sie lächelt.

Generell haben die Songs alle in etwa den Geschmack eines McDonalds-Cheeseburgers, ebenso undefinierbar zusammengepampt, ebenso massenkompatibel. Die Werbung der Fastfoodkette auf Spotify fügt sich so nahtlos ins Hörerlebnis ein, dass sie mir erst nach fünf Sekunden aufgefallen ist. Natürlich gibt es auch so etwas wie einen Track namens "Lava" für den "Club", in dem die jungen Stars "Party machen" und dabei wahrscheinlich "eskalieren".

Zudem muss natürlich aber auch betont werden, dass die Lochis nicht "Superman" sind, ganz normale, bodenständige Jungs von nebenan eigentlich. Wir erinnern uns: Pop auf Deutsch, egal ob von Mark Forster, Wincent Weiss oder MC Bilal, darf nie den Eindruck erwecken, dass da jemand Besonderes auf der Bühne steht. Klar, irgendwie zelebrieren sie schon das crazy Youtuberlife, aber bloß nicht den Fans das Bild vermitteln, sie seien keine von ihnen. Die Dichotomie von Schule/Studium unter der Woche und am Wochenende eine Flasche Sky Vodka für 75 Euro im Großraumclub der Wahl, um diese deprimierende Scheiße irgendwie verdrängen zu können, darf nicht durchbrochen werden.

Ganz ehrlich, ich wünsche mir bei diesem Album fast einen gewissen notorischen Schlagerbarden zurück. Da kam noch wenigstens so etwas wie gerechter Jähzorn auf. "#whatislife" ist objektiv betrachtet auf einem viel höheren Niveau produziert, löst aber schlicht und einfach gar nichts aus. Egal welcher Song, ob belanglose, glattgeschliffene Trapsnares oder belanglose, glattgeschliffene Akustikgitarren zu hören sind. Es rauscht so durch. Der Vincent nimmt sich außerdem wenigstens nicht allzu ernst in dem, was er verbricht, während es sich bei den Lochis so anfühlt, als seien sie permanent in einem ganz falsch verstandenen Justin-Timberlake-Film unterwegs. Wahrscheinlich hat der Warner-Music-A & R ihnen auch so oft gesagt, dass sie Musiker sind und keine auf Youtube tätigen, zweitklassigen Flachwitzverwurster und Schmalspuralleinunterhalter für ein Publikum, das zu jung ist, um es besser zu wissen, bis sie angefangen haben, es selbst zu glauben. Man könnte einen Gnadenpunkt für die Produktion geben; ausgerechnet bei diesen Figuren aber Gnade vor Recht walten zu lassen, würde sich zu falsch anfühlen. Ich bin dann mal weg, "Möwengold" pumpen.

Trackliste

  1. 1. Level Up
  2. 2. Superman
  3. 3. Heimliche Helden
  4. 4. Alpha Queen
  5. 5. Laaazy
  6. 6. Lava
  7. 7. Nice Dass Du Dabei Bist
  8. 8. Schatten Springen
  9. 9. Zu Jung
  10. 10. Fan Von Dir
  11. 11. Wie Du
  12. 12. Gib Alles

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