laut.de-Kritik
Treueschwüre im Konfettiregen.
Review von Markus BrandstetterDie Toten Hosen aus Düsseldorf (aus Düsseldorf!) sind überall, omnipräsent, allmächtig, man kann ihnen nicht entkommen. Sie sind in der Hitparade und in den Stadien, sie spielen in euren Wohnzimmern und trinken euch dort euer Bier weg. Wenn sie es euch nicht wegtrinken, brauen sie ihr eigenes. Sie sind in Argentinien und in euren Punk-Clubs und Bierzelten, auf euren Karnevals- und manchmal auf den Theaterbühnen. Zuletzt haben die Düsseldorfer sogar die Berlinale okkupiert und einen Film vorgestellt, der sie dabei zeigt, wie sie all das machen. Nach der sehr langen, erfolgreichen Tour zum Erfolgsalbum "Laune Der Natur"-Tour, die dann konsequenterweise "Laune Der Natour" hieß, schauen Campino, Kuddel, Breiti, Andi und Vom mit einem Live-Release zurück auf den vergangenen Triumphzug (anders kann man das nicht machen) zurück.
Den großen, offiziellen Tourabschluss feierte die Band natürlich in ihrer Heimatstadt Düsseldorf und ließ beim großen Finale erwartungsgemäß nichts anbrennen. Sie haben allerdings auch die 320232 Konzerte davor auf dieser Tour nichts anbrennen lassen. Natürlich, am Ende einer Tour ist Campinos Stimme noch rustikaler als sonst, das fällt aber meistens nicht auf, weil er von seinen Freunden ohnehin nicht für Schönklang engagiert wird.
Die Hosen lassen es also standesgemäß krachen und eröffnen den Abend zünftig mit einem Loblied auf den gepflegten Opel und gehen nahtlos ins "Auswärtsspiel". Wer so beginnt, verliert das Spiel nicht mehr. Danach folgt ein bunter Mix, der Titeltrack von "Ballast Der Republik" darf ebenso wenig fehlen wie der Titeltrack des aktuellen Albums. Mit "Heute Hier, Morgen Dort" gibt’s eine Coverversion des Hannes-Wader-Stücks, das der Band schon auf Platte gut geglückt war.
Und weil sie und ihr Publikum wissen, dass man sich auch selbst feiern muss, spendieren sie die Carpe-Diem-Nummern natürlich ebenfalls: "Das Ist Der Moment", "Altes Fieber", "Alles Mit Nach Hause". Wer schon jemals auf einem Hosen-Konzert war, weiß, wie die Story weitergeht: Die Klassiker ("Hier Kommt Alex", "Liebeslied", "All Die Ganzen Jahre", "Wünsch Dir Was", "Alles Aus Liebe") sind sowieso Fix-Starter. Ganz ohne Sauflieder kommt man ebenfalls nicht aus, diesmal muss das "Altbierlied" herhalten, davor hören wir noch "Bis Zum Bitteren Ende". Dafür ersparen sie uns "Zehn Kleine Jägermeister" und "Eisgekühlter Bommerlunder". Dazu ein paar aktuelle Stücke ("Unter den Wolken", "Wie viele Jahre (Hasta La Muerte)", "Wannsee". Haut alles hin.
Am Ende heißt es, nochmal ordentlich auf die Endorphin-Kacke zu hauen. "Tage Wie Diese" (hört man), Konfetti-Regen (hört man nicht). Überraschung: klappt ebenfalls, Publikum applaudiert erfreut und freut sich des Abends. Und bevor’s dann vorbei ist, soviel Tradition muss sein, "You’ll Never Walk Alone". Treueschwüre im Konfetti-Regen.
Die Toten Hosen haben alles richtig gemacht – auch wenn die aktuelle Platte vielleicht nicht ganz so gut ist, wie die davor, auch wenn der Film zwar amüsant, schlussendlich aber doch eine vergebene Chance war, der zu viel in zu schneller Zeit abreißt. Wer noch nicht genug hat, kauft sich die Edition mit der Bonus-CD "Auf Der Suche Nach Der Schnapsinsel". Da spielen die Hosen im Berliner SO36, Lars Frederiksen ist im Publikum und alles ist enger, verschwitzter und ein Stückchen räudiger als im Normalbetrieb – sofern es bei den Hosen Normalbetrieb gibt.
Souverän, da kann man nicht meckern.
5 Kommentare mit 9 Antworten
Den SO36 - Mitschnitt finde ich tatsächlich sehr gut gelungen, der Rest ist austauschbarer Tote-Hosen-Schlager. Halt wie auf den 500 anderen Live-Alben zuvor.
Bei den letzten Alben war die Bonus-CD stets besser, als die eigentliche Scheibe.
...und letztens hab ich noch im Hasselhoff-Bericht gescherzt das die Ankündigung eines Hosen-Albums ja noch viel schlimmer wär als ein Hoff-Album.
Aber was ist noch schlimmer als die Ankündigung eines Hosen-Albums?
Ein Hosen-Album.
urgh.
Sehr gut
was haben denn die hosen im so36 verloren? ist das kein punkschuppen mehr?
punk snobs sind auch ganze schöne spiesser, wa?
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Das muss man auch erstmal schaffen... nach Ballast der Republik (Die Geister die wir riefen) und Laune der Natur (Learning English Lesson 2) das dritte Album in Folge, bei der die Bonus-Scheibe besser ist, als das Hauptalbum.
In meiner Branche nennt sich das u.a. auch "optimierte Abschöpfung unterschiedlicher Zielgruppen"
und ich nenne es "scheiße für die massen"
Na, zum Glück tritt die Band, von der das "Scheiße für die Massen" - Zitat stammt ausschließlich in kleinen Underground-Clubs vor handverlesenem Publikum auf.
ka wen du meinst.
die hier etwa ???
https://www.youtube.com/watch?v=nFE0RXzH750
ja, "scheiße für die massen" trifft es ganz gut.
Oh no, kann ja passieren das man auf einem Konzert nicht gut bei Stimme ist, aber dann mache ich daraus kein Album.
Okay, dann kann man halt von 99,9 % der Liveauftritte der Toten Hosen kein Live Album machen.