laut.de-Kritik
Rapper laufen Marathon: Wem geht zuerst die Puste aus?
Review von Stefan JohannesbergDie "ausgedehnten Leute" üben sich also im Dauerlauf. "I don't train for sprints I train for marathon." 42,195 Kilometer bzw. 57,26 Minuten muss die Combo aus dem Westcoast-Underground bei der Rap-Olympiade absolvieren. "Die Leute rennen und mühen sich, immer auf gleicher Höhe mit ihrem nächsten Konkurrenten zu sein, immer im Gleichschritt mit dem, was sie als Erfolg sehen. Dann sind sie frustriert, weil sie nicht mehr schnell genug sind und nicht mehr mitkommen. Ich sage ihnen, das Leben ist ein Marathon", erklärt Dilated-Emcee Raaka die Gründe für die Langstrecke.
Zusammen mit Evidence und DJ Babu startet er gemächlich ins Rennen. Nicht barfuß laufend wie Rom-Olympiasieger Bkila Abebe aus Äthiopien, sondern mit smoothen Handclaps, Scratches und Piano-Loops gekleidet, joggen sie beim Opener "Marathon" locker durch die ersten Takte. Und das Trio hält dieses Tempo auch beim Titeltrack vom Alchemist. Rap-Icons waren Evidence und Rakaa ja noch nie, doch mit dieser lahmen Einstellung fallen sie bald ins Mittelfeld zurück.
Auf "Tryin' To Breathe" verschärfen Dilated People endlich das Tempo. Das Wetter verschlechtert sich jedoch zusehens, und so prophezeien die gesampelten Dramatics zwar "It Ain't Rainin", Evidence aber blickt düster in die Zukunft: "I see a cold world like Gza". In Marathon-Slang übersetzt: Was hilft, wenn die Lunge schmerzt? "Caffeine" (Koffein) vielleicht? Der Titel ist leider nicht Programm. Der Song nickt langsam, fast langweilig vor sich hin. Dauert der Lauf noch lange? Dauert das Album noch lange? Ein paar Zwischensprints täten dem Hörgenuss gut, zumal man Gefahr läuft, das Ziel aus den Augen zu verlieren.
So werden die drei Fußlahmen von Gästen wie Devin The Dude, der in "Poisonous" die Hookline croont, sowie den Westcoast-Kollegen Defari und Planet Asia ("Closed Session") überholt. Erst beim Einlauf ins Stadion sorgen die Kalifornier mit der hippiesken Mitklatsch-Hymne "This Way", Produzent Kanye West sei Dank, für Begeisterung. "Wir wollten etwas auch für uns Außergewöhnliches in Angriff nehmen, und Kanye war nicht nur ein Garant für ausgezeichnete Arbeit, sondern konnte auch unsere Leistungsfähigkeit einmal mehr vorantreiben", gesteht Evidence.
Doch trotz mächtigen "Old Men"-Samples des Duos Jimmie And Vela haben Dilated People mit der Medaillenvergabe nichts zu tun. Und während "DJ Babu in Deep Concentration" nach dem Marathon vor sich hin scratcht, rechtfertigt Rakaa die Taktik: "Du musst nicht der Erste sein, der die Ziellinie überquert, aber wenn du an deiner Sache dran bleibst, kommst du schon dort an, wo du hin willst." Okay, das Ziel ist das Ziel, nicht der Weg. Schade nur, wenn das Ziel im Mittelmaß liegt.
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