laut.de-Kritik
Ein Meme, das erwachsen geworden ist.
Review von Mirco LeierMit Pommes in der Nase und luftigem Kuhkostüm erlangte Doja Cat 2018 über Nacht landesweite Bekanntheit. "I always wanted to make a viral meme-song", erzählte sie dem Musik News-Outlet Genius nur wenige Monate später. Ihr zur Hölle und zurück gememter Hit "Mooo!" war genau das: Fast schon unverschämt in seiner Inhaltslosigkeit, aber gerade deshalb universell als Witz erkennbar. Memes sind schließlich nichts weiter als ausufernde Insider-Jokes, deren Erfolg unter anderem auch von ihrer Verständlichkeit abhängt. Dass man dieses Modell für weitaus mehr benutzen kann als niedliche Katzenvideos, haben schon zahlreiche Künstler vor und nach Doja Cat erfolgreich bewiesen.
Im Gegensatz zu Ugly God oder Bhad Bhabie, die mit ihren ersten Gehversuchen auf musikalisch gehaltvollen Boden gnadenlos auf die Fresse fielen, tänzelt sich die Katze jedoch erstaunlich souverän durch verschiedene Genres und entpuppt sich dabei als waschechtes stimmliches Chamäleon. Ihr zweites Album "Hot Pink" fällt noch vielseitiger und quirliger aus, als ihr insgesamt zu brav geratenes Debüt "Amala". Damit schlägt die Kalifornierin zwar hier und da ein wenig über die Stränge, aber etabliert sich endgültig als ernst zu nehmende Künstlerin, die ihren internet-affinen Zeitgenossen in nichts nachsteht.
Wirft man einen kurzen Blick auf die Tracklist, dürfte ein zentrales Motiv der LP schnell ersichtlich sein. Ähnlich aggressiv wie die pinke Farbpalette des Covers springt einem "Pussy Power" ins Auge, respektive ins Ohr. Die meisten der zwölf Tracks handeln folgerichtig von Liebe, Heartbreak und Sex. Mal sinnlich, mal verspielt, mal bossy wirft sich die 24-Jährige in Schale und rappt, singt und säuselt sich durch schnell redundant werdende Szenarien. Der Inhalt ist aber und war ohnehin nie der Fokus ihrer Musik. In Interviews macht sie keinen Hehl daraus, dass sie oftmals selbst nicht so recht weiß, was der von ihr zu Papier gebrachte Nonsens überhaupt zu bedeuten hat, viel wichtiger sei, dass er gut klingt.
Und das tut er. Meistens zumindest. Das ist nicht nur dem durch die Bank weg gelungenen Sounddesign geschuldet, sondern auch Dojas sympathischer Art den banalen Inhalt an den Mann zu bringen. Da kann der Text noch so sinnbefreit sein, wenn er mit ihrer Art von Charisma vorgetragen wird, drückt man gerne beide Augen zu. Das fällt vor allem dann auf, wenn eben jene Ausstrahlung abhanden kommt und der quasi nicht vorhandene Inhalt in den Fokus rückt. Das macht Songs wie "Better Than Me" und "Shine" zu absoluten Schlaftabletten, die das Album nicht gebraucht hätte.
In seinen besten Momenten klingt "Hot Pink" wie ein mit Glitter überzogenes Konglomerat all dessen, was die Adoleszenz der in LA geborenen Sängerin zwischen Halfpipes und "Cyber Sex" geprägt hat. Mit "Bottom Bitch" holt sie beispielsweise den ehedem rotzigen Sound einer Avril Lavgine in die aktuelle Dekade. Über ein Blink 182-Gitarrensample autotunet sie sich die Seele aus dem Leib, während die unverschämt eingängige Hook den Rest erledigt. "Say So" weckt dann nur einen Track später Erinnerungen an eine leicht verschlafene Kylie Minogue, die in der zweiten Hälfte eine spontane Umschulung zur Rapperin absolviert.
Gerappt wird nämlich auf fast jedem Track, auch wenn der Fokus meist woanders liegt. Lediglich auf "Rules" bleibt Doja dem Sprechgesang treu und steigert sich im letzten Verse in animierte Reimfolgen, die stellenweise sogar an Kendrick Lamars Flow aus "Rigamortis" erinnern. Es ist also unschwer zu erkennen, dass die Neigung, sich nicht an einen Sound binden zu wollen, zu den größten Stärken der Newcomerin zählt.
Besondere Erwähnung hat sich an dieser Stelle "Like That (feat. Gucci Mane)" verdient, da er wohl zu den besten Poprap-Unterfangen des Jahres gehört und sowohl Dojas vollen Stimmumfang als auch Guccis humorvolle Seite hervorhebt. Der Track markiert auch den letzten flotten Song, bevor Doja etwas ruhigere Töne anschlägt. Mit "Streets" versucht sie sich dann sogar an einer waschechten Ballade, was zwar akzeptabel über die Bühne geht, mehr aber auch nicht.
So bleibt die LP gerade aufgrund der zu unaufregend geratenen zweiten Hälfte ein Mixed Bag, prall gefüllt mit Leckereien und Lakritze. Aber ausgerechnet ein ambitionsloses Tyga-Feature ruiniert den eigentlich gelungenen Closer "Juicy". Die Ansätze sind dennoch vielversprechend. Blickt man auf "Amala" zurück, lässt sich auch ein musikalischer Reifungsprozess nicht von der Hand weisen. Es scheint also nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch Leute, die sich außerhalb von gängigen Social Media Plattformen bewegen, auf Doja Cat aufmerksam werden. Und das zurecht, denn wenn "Hot Pink" eines beweist, dann, dass man kein Insider mehr sein muss um Spaß an ihrer Musik zu haben.
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