laut.de-Kritik
Schmalz-Wasserfälle von der Lapsteel-Gitarre.
Review von Sven KabelitzEs gehört nicht zu den besten Ideen, einem neuen Album ein Best-Of beizulegen. Marketingtechnisch mag das zwar Sinn ergeben, aber nun müssen die neuen Songs neben den größten Hits einer gesamten Karriere bestehen. Das hat schon bei Michael Jacksons "HIStory" nicht hingehauen, und auch auf Dolly Partons "Pure & Simple" müssen sich Stücke wie "Forever Love" nun an "Jolene", "9 to 5" und "I Will Always Love You" messen lassen. Ein unsportlicher Wettkampf, den die unbekannten Tracks eigentlich nur verlieren können.
Wer den zwölf neuen Liedern aber von Anfang an keine Chance gibt, tut ihnen Unrecht. "Meine Möpse sind fake, meine Haare sind fake, aber meine Stimme und mein Herz sind echt", erklärte die Country-Sängerin 2014 der Sun und fasste die Karriere, in der Außenwahrnehmung und ihre Musik immer wieder kollidierten, in einem Satz zusammen. Unzählige Schönheitsoperationen machten sie zu einem Dauergast in den Klatschspalten, der Qualität ihres Outputs konnte dies aber nichts anhaben.
Wer von Miley Cyrus' Patentante nun ein raues Altwerk im Stil von Johnny Cashs gebrochenen "American Recordings" erwartet, ist hier falsch. Hier tropft der Schmalz nicht, er ergießt sich in Wasserfällen von der Lapsteel-Gitarre. Wer damit zurecht kommt, entdeckt darunter Partons über Jahrzehnte geschultes Songwriting.
"'Pure & Simple' liegt mir wirklich am Herzen, ich nehme meine Fans mit auf eine Reise zu meinen Wurzeln. Diese Songs haben eine reine, zarte Seite und die Arrangements haben wir bewusst schlicht gehalten", erklärt Dolly das Konzept hinter ihrem 43. Longplayer. Zwar hat sie sich in der Vergangenheit nicht gerade mit verschrobenen Jazz-Experimenten und Hip Hop-Ausflügen ausgezeichnet, trotzdem liegt dem Album ein deutlich zurückgenommenerer Ansatz als dem Vorgänger "Blue Smoke" zugrunde. Diesmal gibt es kein aufbrezeltes Bon Jovi-Cover ("Lay Your Hands On Me"), diesmal schreibt sie wieder alle Stücke selbst.
Im eingängigen Titeltrack singt die Queen of Dollywood über die Liebe im Herbst des Lebens. Über den Augenblick, in dem die ewige Suche nach der unaufgeregten Beziehung, in die man sich wie in eine warme Wolldecke einmuckeln kann, ein Happy End findet. Im besten Nashville-Sound umschwärmt eine Mandoline das arglose Gitarrenspiel. Ein zaghafter Blues-Unterton erdet den anrührenden Country-Pop "Outside Your Door". Während geschickte Akkordwechsel Melancholie heraufbeschwören, lässt Parton ihre Stimme von klar zu rau zu hauchend wandern. Ein Lied, mit dem Rod Stewart in den späten Achtzigern umgehend ins Studio marschiert wäre.
Die balladenlastige Stimmung des Album durchbrechen nur wenige zurückhaltende Uptempo-Nummern wie "Head Over High Heels" oder das fröhliche "I'm Sixteen" mit seinem "Doodle, doodle-do-do, doodle-do, do, do-do-do, doodle-do, do, do, do-do-do, yeah"-Einstieg. "Say Forever You'll Be Mine" hingegen, das ebenso wie "Tomorrow Is Forever" während Partons Zusammenarbeit mit Porter Wagoner entstand, befreit sie von allem Ballast und reduziert das Arrangement auf Akustikgitarre und Fiddle. Einfach, "Pure & Simple".
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