laut.de-Kritik
Zarte Elektronik schmiegt sich an folkigen Dream-Pop.
Review von Anne NußbaumAchtung, Verwechslungsgefahr: Wer bei Discogs auf der Künstlerseite von Double U herunter scrollt, findet in der Schaffensliste des Künstlers unter anderem einen Beitrag zum Sampler "Pistenhits - Apres Ski Hitmix 20". Dort soll der Franzose doch tatsächlich das Stück "Auf der Straße Nach Süden" beigesteuert haben. Mit ein bisschen gesundem Misstrauen kommt man schnell auf den Trichter: Niemals hat Double U neben Scooter, einem ominösen DJ Ostkurve, Tim Toupet, Gigi D'Agostino (!) und Mickie Krause Dummdödel-Sound für besoffene Skihäschen und rotnasige Vollprolls abgeliefert.
Alles nur ein Irrtum, ein Missverständnis. Noch mal Glück gehabt. Franck Rabeyrolles aka Double U, auch unter dem Alias Franklin unterwegs, hat rein gar nichts mit der winterlichen Version der Ballermann-Spackerei gemein. Deutlich macht er das zum fünften Mal mit "Pineapple Dream", auf dem er hauchzart elektronische Elemente an folkigen Dream-Pop schmiegt.
Das leicht neben der Spur wandelnde "Interludic" legt zu Laetitia Sadiers Non-Vocals das psychedelisch-melodiöse Fundament für die anschließende Folktronica-Träumerei. Freilich weckt das erst einmal Assoziationen zu Bibio, zu Múm oder Tunng. Besonders mit den beiden aktuellsten Platten letztgenannter Vertreter der Genre-Fusion flirtet Double Us neuester Streich.
Auch Boards Of Canada lassen zwischendurch diskret grüßen, wobei sich der Franzose weniger elektronisch, dafür eher dem folkloristischen Pop zugetan zeigt als das schottische Duo. Leises Fiepsen und Flirren, ausgedehntes, doch nie aufgedrehtes Synthiegeschwurbel legt uns Double U auf "Whatever" ans Herz. Bei "The Wedding" lugt vorsichtig ein kaum hörbares, weißes Rauschen hinter behutsamen Pickings und Francks ruhiger Stimme hervor.
Die Beats aus dem Trommelsynthie stoßen an einigen Stellen unangenehm auf, so bei "I Made My Mind Up". Ansonsten streicheln Electronica-Elemente, die den Takt vorgeben, ein meist scheuer Bass und singende Sägen, Banjos und Mundharmonika-Einlagen, zurückhaltende Streicher und unaufdringlicher Gesang liebevoll unsere Ohren. Ein wohlig-warmes Gefühl durchströmt Bauch und Herz.
Franck verschmilzt organisch Elektronisches und Folk miteinander. Die Grenzen zwischen Instrumenten und Stimmungen sind fließend. Mal schweift der Musiker in Melancholie ab, nachdem er sich erst gelassen-fröhlich gab. Dann verschwimmt der Synthie in die Backing-Vocals und weitet sich gemächlich zu zärtlichem Gitarrengeplänkel aus. Instrumentale Klangräume und dezente Elektronik verzahnen sich hier zu einer verschrobenen Lo-Fi-Melange, dort zu sehnsuchtsvollen Elegien.
Den fast schon sanft noisigen Höhepunkt des Albums bildet das leicht verspulte, schwermütige "Breathing The Wind". Double U breitet einen moosweichen Klangteppich aus hauchzartem Streicher- und Glockenspiel, fernem Zupfen und Wispern aus. Der Clip dazu komprimiert die Essenz des Tracks in entrückten Bildern: Eine rothaarige Schönheit mit Pelzkapuze, himmelblauer Farbe im Gesicht und Köfferchen in der Hand schleicht durch eine heimelig-unheimliche Waldszenerie.
"Eh Bro" und das Titelstück "Pineapple Dream" wecken Erinnerungen an Zero 7. Double U bleibt indes akustischer, introspektiver, zaudernder als die Briten. "Pineapple Dream" wird wohl kaum Zugang zu den Loungebars dieser Welt finden, in denen leicht verdauliches Easy Listening-Gedudel die Kulisse für gepflegtes Cocktailschlürfen und Sofasessel hergibt. Gut so.
Die intime, zwischen erdig und luftig schwankende Platte entwickelt sich gemächlich und besonnen, wie ein warmer Schauer. Bisweilen umschmeichelt sie ein Hauch von Surrealität. Kein Song biedert sich dem Hörer an. Das ist erfreulich. Dafür lässt sich auch kaum einer der Tracks nachhaltig im Gedächtnis nieder. Das ist wiederum ein bisschen schade.
Zu einem heißen Kakao an einem viel zu kalten und grauen Juli-Tag wirkt die Platte zwar wie eine Wohltat. Nur das Sahnehäubchen fehlt. Die experimentelleren, verschachtelteren Pfade, die Double U mit dem Opener und "Breathing The Wind" beschreitet, bitten um weitere Auslotung.
2 Kommentare
Shcadeee, dass der hammergeile Song "Ai no Imi Oshiete" aus dem YouTube-Video nicht auf dem Album ist. Der rest ist fiel langweiliger
Aber warlich, die Youtube Videos hier sind genauso irreführend wie das Erscheinen auf einer Pisstenhits-CD. Also bei mir sind in allen angezeigten Videos zwei Asiatinen zu sehen die den Mund bewegen, gesungen wird das ganze von einem scheinbar grade überfahrenen Waschbären.