laut.de-Kritik
Moshen im gemachten Bett, dafür bis der Arzt kommt.
Review von Gil BielerWährend Heerscharen von Wissenschaftlern nach Lösungen für die Probleme unserer Zeit und künftiger Generationen suchen, treibt Dr. Living Dead unbeirrt seine Retrosound-Experimente voran. Das Ziel bleibt weiterhin, die musikalische Essenz von Crossover- und Thrash-Großtaten der Achtziger- und frühen Neunzigerjahre einzufangen.
Die vier Totenkopfmasken-Träger aus Schweden, die unter dem Namen des Docs fuhrwerken, legen nun Album Nummer vier auf den Seziertisch. "Cosmic Conqueror" verbeugt sich erneut vor ihren Helden wie Suicidal Tendencies oder Anthrax. Na, gut: Vielleicht sollte man sich statt einer Verbeugung eher einen Moshpit im Skatepark vorstellen, stehen Dr. Living Dead doch für massenweise kantige Riffs, schnalzenden Bass und ein generell hohes Energielevel.
Wer kurze Hosen, Bandanas und Gute-Laune-Geschredder schon früher bescheuert oder untrve fand, darf sich das Nostalgiewerk also getrost schenken. Die anderen: Nix wie rein ins Getümmel!
Die Musiker riffen und kloppen von Beginn weg um ihr untotes Leben. Frontmaske Dr. Mania eifert mit seinen Gesangslinien und Shouts den Herren Muir und Belladonna nach. Breakdowns, Drumrolls, Gangshouts ("Can't Kill The Dead") und ein Gitarrensolo in "Coffin Crusher" bringen Abwechslung ins Spiel und zeigen: In ihrer angestammten Sound-Nachbarschaft kennen sich die Herren einfach aus. Die ersten drei Songs tüten sie in knapp elf Minuten ein, man fühlt sich glatt wieder in seine Teenagerzeit zurückversetzt.
Erst auf dem behäbigeren, temporeduzierten "Terror Vision" zeigen die Schweden eine neue Facette ihres Sounds. Dasselbe gilt für das ruhige Instrumentalstück "Into The Eye" und den Kriecher "Cyber Crime", der die Scheibe enttäuschend unspektakulär beschließt. Ansonsten aber stehen die Zeichen auf Hinterhofparty-Beschallung à la California: Riffen, bis der Arzt kommt, die letzte Dose Bier vernichtet ist und der letzte Depp sich mit dem Skateboard auf die Schnauze gelegt hat.
Genau darin liegt das grösste Handicap von Dr. Living Dead: Sie trauen sich immer noch nicht, aus dem Schatten ihrer Idole herauszutreten. Eigenständigkeit oder wenigstens originelle Akzente sucht man vergebens. Moshen im gemachten Bett, sozusagen. Das ist kein Weltuntergang, dennoch steht immer die Frage im Raum, was sie sonst noch zeigen könnten, wenn sie denn wollten. So jedoch muss "Cosmic Conqueror" im Plattenschrank gegen die übermächtige Konkurrenz von anno dazumal bestehen und könnte dabei schnell Staub ansetzen.
Wer jedoch einfach nicht genug von diesem Sound bekommen kann, darf dem Doc blind vertrauen. Selbst das längste Stück des Albums, "Disease To Exist", gerät dank ausreichend Spiel mit Dynamik und Tempo kurzweilig, und pfeilschnelle Nummern wie "Survival Denied" oder der Titeltrack (mit stilechtem Tom-Araya-Gedenkschrei!) machen richtig Bock, sich an die Wand zu klatschen. Ist ja eh ein Arzt im Haus.
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