laut.de-Kritik

Verbeugung vor dem Original-Punk Woody Guthrie.

Review von

Papa würde die Dropkick Murphys mögen, findet Nora. Sie ist die Tochter der Folk-Ikone Woody Guthrie, in dessen Nachlass sich ein Fundus an unveröffentlichten Texten befindet. Nora hält die Band aus Boston für Geistesverwandte des großen Guthrie. "Was für uns eine große Ehre war. Er ist der Original-Punk", so Ken Casey, Bassist und einer der Sänger der Dropkicks.

Bei der Band treten alle sechs Musiker der Kernbesetzung stimmlich mehr oder weniger ans Mikro. Der eigentliche Lead-Sänger Al Barr pflegt jedoch seit einigen Monaten seine schwer demenzkranke Mum. Für die Musik findet er keinen Freiraum. Nach "Turn Up That Dial" verstrich zwar nicht viel Zeit, Ideen hatte die Band aber genug und das Woody-Cover-Projekt lag fast 20 Jahre brach. Daher nutzten die fünf übrigen Murphys-Mitglieder Barrs Pause für eine Akustikplatte mit diesen Covers.

Der Folk-Sänger, dessen Erbe bis heute nachhallt, wird recht verschieden bewertet. Viele sehen ihn als politischen Autor. Immerhin war er Mitglied der kommunistischen Partei in einer Zeit, als der Kommunismus das zentrale Feindbild in den USA war. Eine andere Meinung über Woodys Texte: Steve Earle, (der sich selbst gerne mit expliziten und Mainstream-untauglichen Lyrics aus dem Fenster lehnt), identifiziert in Guthrie gerade keinen Polit-Protestsänger.

Die Dropkick Murphys fokussieren sich auf "This Machine Still Kills Fascists" auf eine breite Guthrie-Palette: Die führt vom Lied über Arbeiterrechte ("The Last One") über psychiatrische Schilderungen in Ich-Form ("Where Trouble Is At", "Talking Jukebox"), kryptisch-atmosphärische Mehrdeutigkeiten ("Waters Are A'risin", "Ten Times More"), Spielsucht ("Two 6's Upside Down"), US-Lifestyle und kollektive Träume ("Cadillac, Cadillac"), menschliches Elend und Solidarität ("All You Fonies"), Alkoholismus ("Never Git Drunk No More") bis hin zu einem Song über den Zweiten Weltkrieg ("Dig A Hole").

Musikalisch geriet die CD vielseitig. Dabei oblag die Komposition oft den Dropkick Murphys, weil entweder nur die Lyrik vorlag oder von den Stücken keine Referenz-Aufnahmen vom Autor selbst existieren. Die eigene keltische Handschrift der Bostoner Punks schillert trotzdem durch: Im galoppierenden Uptempo-Kracher "Where Trouble Is At" und im perkussiven "Ten Times More", in dem alleine eine Mundharmonika die Melodie trägt und Ken und die übrigen im Chor mehr kläffen als singen.

Wie man sich ein klassisches Unplugged-Album vorstellt, so klingen das raue, Klavier-unterstützte und super schöne "Waters Are A'risin'" sowie "Never Git Drunk No More" samt Zinnpfeife und Mandoline, ergänzt um die großartige Stimme von Nikki Lane. Im Duett mit Ken Casey wirkt sie belebend, ertönt noch prägnanter und entschlossener als auf ihrer eigenen aktuellen Platte.

Der explosive Pub- und Punkrock-Background der Band flammt im straighten und teils gebrüllten "All You Fonies" auf, aber auch hier strikt ohne Amplifier, was ein interessantes und sehr gut gelingendes Experiment darstellt. Der Track macht in dieser halb-lauten Instrumentierung viel Laune. Neben Surfrock-Vibes in "Two 6's Upside Down" und "Talking Jukebox" (mit Caseys intensivem Vortrag) finden sich Americana-Anklänge in "The Last One ft. Evan Felker" und stimmungsvoller Heartland-Rock in "Dig A Hole ft. Woody Guthrie". Jeff DaRosa greift zum Banjo, während Woody von Schellack zugespielt wird. Das wirkt ein bisschen so, als rede er in die Gegensprechanlage eines Hochhauses.

"Ein Folk-Lied handelt davon, was schief geht und wie man's in den Griff kriegt, oder eventuell davon, wer Hunger leidet und wie sie ihn stillen, oder wer arbeitslos ist und wo's den Job gibt, wer pleite ist und wo das Geld steckt, oder wer eine Waffe bei sich trägt und wo der Frieden ist", so zitieren die Dropkick Murphys ihren 'Mentor', den sie nie persönlich kennen lernten. Guthrie starb ein Jahr, bevor der Älteste der Dropkicks auf die Welt kam. Die Bandmitglieder sind zwischen 39 und 54 Jahren. Womöglich beflügelt diese Altersspanne die multiplen stilistischen Einflüsse, die dieses Album so bunt machen.

Nicht nur in den Archiven der Familie Guthrie forschten die Musiker nach Texten. Sie besuchten die Kleinstadt, in der er aufwuchs, um ein Gefühl für seine Heimat zu bekommen. Und sie stießen auf seine Gitarre mit der programmatischen Aufschrift "This Machine Still Kills Fascists". Diese Worte malte er aufs Holz, die Bostoner bastelten daraus ihr Cover-Artwork. Wer sich das Bild gerne großformatig ins Regal stellen will, darf sich die Vinyl-Pressung besorgen. Das Schlussstück "Dig A Hole" ist überhaupt nur in der hammerteuren Guthrie-Box "American Radical Patriot" zu erwerben. Somit betreibt die Folkpunk-Combo wertvolle Restaurierung, die sich knackig und catchy anhört.

Trackliste

  1. 1. Two 6's Upside Down
  2. 2. Talking Jukebox
  3. 3. Ten Times More
  4. 4. Never Git Drunk No More ft. Nikki Lane
  5. 5. All You Fonies
  6. 6. The Last One ft. Evan Felker
  7. 7. Cadillac, Cadillac
  8. 8. Waters Are A'risin
  9. 9. Where Trouble Is At
  10. 10. Dig A Hole ft. Woody Guthrie

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