laut.de-Kritik
US-Patriotismus und Punk unter einem Hut.
Review von Mathias MöllerHeimspiele sind einfach. Die Crowd zeigt sich wohlgesonnen, das Stadion ist bekannt, die Spielzüge sind eingespielt und funktionieren wie im Schlaf. Das gilt für den Fußball wie für die Musik. Die Dropkick Murphys gehen bei ihrer Live-DVD kein Risiko ein und dokumentieren ihre Live-Qualitäten am St. Patrick's Day in ihrer Heimatstadt Boston. Der St. Patrick's Day hat für Iren weltweit ungefähr die Bedeutung des Karnevals für den Rheinländer. Will heißen: saufen, singen, saufen, schunkeln und saufen. Viel anderes gibt es auf einem Dropkick Murphys-Konzert auch nicht zu sehen. That's the way Punk is.
Dass die Ostküsten-Metropole Boston alte keltisch-irische Tradition und amerikanischen Lebensstil in jedem Aspekt des (öffentlichen) Lebens verbindet, spiegelt sich gut in der Musik der Murphys wieder. Ihre Mischung aus keltischen Pipes and Drums und amerikanischem Punk wirkt auf die Dauer etwas redundant, für eine Konzertlänge allerdings ist das Ganze recht unterhaltsam. Vor allem, weil das Konzert aus diversen verschiedenen Winkeln gefilmt ist und der Schnitt nicht langweilt, aber auch nicht nervt. Leider verweigern die Murphys dem unkundigen Zuschauer die Information, welches Lied grade gespielt wird. Macht nichts, denn hin und wieder kommt auch dem Nicht-Fan etwas bekannt vor, wenn sie irische Traditionals wie zum Beispiel den "Wild Rover" anstimmen.
Dabei geizen die Bostoner Urgesteine nicht mit Unterhaltung. Zwischendurch kommt eine Tanztruppe die auf die Bühne und legt einen Highland-Fling aufs Parkett. Was etwas komisch anmutet, scheint die Musik doch immer ein wenig zu schnell für die fliegenden Füße zu sein. Zu Beginn des Konzerts spielt ein Pipes And Drums Korps der örtlichen Polizei auf und die Murphys selbst ziehen instrumentell alle Register. Von der Tin Whistle über die Mandoline bis zum Schifferklavier ist alles dabei. Der Dudelsack von Scruffy "Spicy MacHaggis" Wallace gehört ja längst zum Inventar. Peinlich wird es allerdings, als Murphys-Fan Eric seine Gillian fragt, ob er sie nicht heiraten möchte. Aber Ailton will seine Rosalie ja auch im Weserstadion ehelichen.
Darüber hinaus gibt es stundenlanges Live-Doku-Material der letztjährigen Warped Tour durch die USA und Tourbilder und allerlei mehr oder weniger interessantes Gepose drumherum aus den letzten Jahren zu sehen. Rockin' all over the world. Dazu noch alle Videos der Band (Saufen auf der Hochzeit, Saufen in der Bar, Saufen bei der Arbeit). Zwei kleinere Beiträge über einen Auftritt der Band bei einer anderen Bostoner Institution, der Eishockeymannschaft der Boston Bruins, und eine Labor Day Dokumentation, die den Support der Band für die lokale Arbeiterschaft glorifiziert, komplettieren die DVD. Schade nur, dass beim Booklet so konsequent gespart wurde.
Die Dropkick Murphys schwanken dabei immer zwischen krediblen Punkattitüden (Bierdosen zerquetschen, Grimassen schneiden, schmutzige Lieder singen) und ihrem familienfreundlichen Image (kleine Jungs auf die Schulter nehmen, alte Männer vor dem Konzert interviewen). Und sie entpuppen sich als die wohl einzige Band, die es schafft, US-Patriotismus und Punk unter einen Hut zu bringen: traditionell wedeln sie am Ende des Gigs mit den Stars And Stripes. Oder hat das mit Punkrock gar nichts mehr zu tun?
Noch keine Kommentare