laut.de-Kritik

Poprock-Grüße aus den 80ern.

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Ältere Semester werden sich vielleicht noch erinnern: So ziemlich genau ein Jahr vor dem Mauerfall, als chlorgebleichte Wit-Boy-Jeans der letzte Schrei waren und die Herren Bohlen, Collins und McFerrin die Charts regierten, sorgte auch eine Band namens Edie Brickell And The New Bohemians für Aufsehen. Mit ihrem hippiesken Folkpop-Dreiminüter "What I Am" landeten die Texaner auf Platz sieben der amerikanischen Billboard-Charts. Danach kam allerdings nicht mehr viel – zumindest nichts für die Musikgeschichtsbücher, außer vielleicht der Heirat von Frontfrau Edie und und Paul Simon.

Mehr als dreißig Jahre später wollen es Edie Brickell und ihre Musikerkollegen jetzt noch einmal wissen. Schon vor drei Jahren servierte die Band ihren eingefleischten Fans ein beachtliches Comeback-Werk ("Rocket"). Mit ihrem neuen Album "Hunter And The Dog Star" gehen Edie und Co. nun noch einen weiteren Schritt zurück.

Als wäre die Zeit stehengeblieben, zelebriert die Band den Rock- und Pop-Sound der Achtziger. Eine prägnante Basslinie und ein wildes Zusammenspiel zwischen Snare und Hi-Hat bestimmen die Anfangsminuten. Während sich Frontfrau Edie mit dem Zählen von Tattoos beschäftigt, groovt sich der Background in einen funkigen Pop-Rock-Rausch ("Sleeve").

Einmal drin im Labyrinth der Vergangenheit, will man nicht mehr raus. Die beiden folgenden Tracks "Don't Get In Bed Dirty" und "I Don't Know" wecken Erinnerungen an die Glanzzeiten von Simple Minds. Kurze Zeit später gesellen sich samtweicher Folkpop und galoppierende Country-Rhythmen dazu ("Rough Beginnings", "Horse's Mouth").

Unaufgeregt und befreit von jeglichem Melodiedruck ziehen Edie Brickell und die New Bohemians ihren Stiefel durch und lassen sich von nichts und niemandem beirren. Zarte Jazz-Einschübe ("I Found You"), eine wabernde Orgel ("Miracles") und die Antwort auf die Frage, wie Pharrell Williams Über-Hit "Happy" wohl klingen würde, wenn man ihn im Jahr 1988 aufgenommen hätte ("Stubborn Love"): Als Freund von 'antiker' Unbekümmertheit kommt man bei "Hunter And The Dog Star" voll auf seine Kosten.

Zum Abschluss blickt das Quartett sogar noch weiter zurück. Im Stile einer Debbie Harry fährt Edie Brickell ihr Organ in die Höhe. Plötzlich dreht sich über den Köpfen der tanzenden Folkpop-Gemeinde eine glitzernde Discokugel. Ein hymnenhaftes Highlight zum Abschluss. Edie Brickell And The New Bohemians sind zurück - zwar ohne ein "What I Am"-Geschwisterchen im Gepäck, dafür aber mit viel Spielfreude und Leidenschaft.

Trackliste

  1. 1. Sleeve
  2. 2. Don't Get In The Bed Dirty
  3. 3. I Don't Know
  4. 4. Stubborn Love
  5. 5. Rough Beginnings
  6. 6. Tripwire
  7. 7. Horse's Mouth
  8. 8. I Found You
  9. 9. Miracles
  10. 10. Evidence
  11. 11. My Power

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1 Kommentar

  • Vor 2 Jahren

    Edie hat sicher mehr zu bieten als "What I am"! Schon das folgende Album "Picture every morning" war ein toller Nachschlag, danach immer wieder gute Alben, die leider nicht viel Beachtung fanden, aber wen interessiert schon,was die Masse gutfindet!? Edie hat ihren eigenen Kopf, macht,was ihr gefällt, dazu ihre tolle Stimme und eine Menge positive Stimmung. Auch hier mischt sie alles auf, und läßt es rocken,bluesen und tanzen...so muß es sein! Die ganze Depriwelle,die momentane Songwriterinnen verbreiten, langweilen (mich) nur.