laut.de-Kritik

Gefühlvoll, intim, spielt auf der Klaviatur der Emotionen.

Review von

Lockdown-Musik, Teil 2. Nach dem spannenden "The Isolation Tapes" legen die Berliner von Kadavar das nächste Werk vor. "Ich war nach 'The Isolation Tapes' einfach noch nicht bereit für die nächste Kadavar-Platte", sagt Drummer 'Tiger' Bartelt über das neue Projekt. Diesmal haben sich die Berliner in ihrem eigenen Studio dafür verstärkt. Die Heavy-Psych-Band Elder aus Massachusetts ist teilweise in die deutsche Hauptstadt übergesiedelt und wirft ihre eigene Kreativität mit in den Ring.

Die Symbiose zweier spannender Bands trifft auf die Freiheit und die Zeit, einfach mal alles fließen zu lassen, und zu sehen, was dabei heraus kommt. Aus der Session wird schnell mehr, die Chemie stimmt. Der fast zehnminütige Opener "From Deep Within" kommt zwar eine Wenig melancholisch, aber alles andere als depressiv daher. Ein bisschen Optimismus mischt sich in die sanften Gitarren, die von stimmungsvollen Piano- und Synthieklängen begleitet werden. Der Jam-Charakter lässt sich gut erkennen. Auf einem simplen Grundmotiv bauen die sechs Musiker eine große Hymne auf. Der Song bricht alsbald in gewohnte, härtere Klänge um, ohne sich selbst seine Zeit zu nehmen, bleibt mystisch und persönlich. Die Vocals übernimmt Elder-Frontmann Nick DiSalvo. "In The Way" beginnt mit akustischer Gitarre als schöne Ballade. Selbst ein Streicher-Arrangement kommt zum Einsatz, ohne dabei in Kitsch zu verfallen. Eldovar nehmen sich zur Mitte hin die Freiheit, in psychedelische Sphären abzudriften. Gegen Ende nimmt der Song an Fahrt auf, behält dabei aber immer seinen hoffnungsvollen Grundton.

Die seit "The Isolation Tapes" entdeckte Liebe zum Synthie prägt "El Matador", ein mystisches und sphärisches Stück Musik, perfekt für gedankenverlorene Spaziergänge durch eine Stadt im Ruhezustand. Akustische Gitarren und melancholische Gesangspassagen geben dem Song etwas Geheimnisvolles, die Gitarrenmelodie gegen Ende macht den Pink Floyd-Vibe perfekt. Sphärisch geht es auch auf "Rebirth Of The Twins" weiter, weniger Song als eine psychedelische Soundlandschaft. Die meditative Stimmung zieht sich durch bis "Raspletin", auf dem auch die Drummer wieder etwas zu tun bekommen. Über dem gesetzten Grundthema schwingt sich nach und nach ein Gitarrensolo empor und symbolisiert neben Ruhe und Gelassenheit auch Konfusion.

Ein bisschen vom gewohnten Sound von Elder und Kadavar bekommt man auf der elfminütigen Hymne "Blood Moon Night". Das proto-esque Gitarrenthema fügt sich jedoch alsbald der generellen Grundstimmung des Albums. Ein bisschen fühlt man sich an die späten Beatles erinnert. Gediegen und harmonisch trägt sich der Song dahin, um dann urplötzlich auszubrechen und den Hörer auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Ja, auch Gefühlsausbrüche gehören zum Lockdown, eine gewisse Wut meint man zu hören. Sie gibt dem Song plötzlich einen anderen Anstrich, um sich gegen Ende wieder an den ruhigen Grundton des Albums anzupassen.

Das Ganze erinnert an die oft gegensätzliche Gedankenwelt während langer Lockdown-Tage. Mit "Cherry Trees" verleihen Elder und Kadavar ihrem Prog-Märchen wiederum ein versöhnliches Ende. Wohlige Soundflächen, warme Pianotöne und ein paar schöne Gesangseinlagen lassen einen nach der emotionalen Achterbahnfahrt von "A Story Of Darkness & Light" ist wieder optimistisch nach vorne schauen. Und das ist, bezogen auf den zeitlichen Kontext dieses Albums, doch eine schöne Sache.

"A Story Of Darkness & Light" ist ein gefühlvolles und intimes Album geworden, bespielt die komplette Klaviatur der Gefühlswelt in einer schwierigen Zeit. Das Zusammenspiel zweier Mikrokosmen sorgt für Klänge, die getrennt voneinander wahrscheinlich nie entstanden wären. Die Spontaneität verleiht der Platte etwas Magisches und fügt der ohnehin schon großen Bandbreite beider Bands unerwartete neue Spielarten hinzu. Vielleicht lassen sich solche wundervollen Projekte auch nach Corona weiterführen, die Musikwelt hat mit Sicherheit genug Platz dafür. Ansonsten freue ich mich auch sehr auf die nächste Kadavar-Platte, Herr Bartelt.

Trackliste

  1. 1. From Deep Within
  2. 2. In The Way
  3. 3. El Matador
  4. 4. Rebirth Of The Twins
  5. 5. Raspletin
  6. 6. Blood Moon Night
  7. 7. Cherry Trees

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