laut.de-Kritik
Rückfall in die Pubertät auf Kosten der Schweiz.
Review von Michael SchuhNun wirds absurd: Electric Six ehren die Schweiz. Zwar schaffte es die Alpenrepublik auch schon in einen Red Hot Chili Peppers-Song, die hier dargebotene Liebeserklärung dürfte jedoch so schnell kaum zu überbieten sein.
Schon Anfang des Jahres legte sich die Detroiter Chaotentruppe um Schnitzelpeter Dick Valentine einen perfiden Plan zurecht: Pünktlich zur Fußball-WM in Deutschland startete auf ihrer Homepage die "Swiss National Men's Football Team's Road To Victory 2006"-Kampagne, derzufolge alle E6-Fans gefälligst das Schweizerische Fußballteam supporten sollten, um sich nach jedem Sieg als Belohnung einen nagelneuen Online-Vorabsong abholen zu dürfen.
Wie es sich für anständige Großmäuler gehört, hagelte es von Seiten der Band für die Gruppengegner während des Turniers ausschließlich Hohn und Spott. Frankreich? Durchsetzt von "arroganten, übel riechenden Bastarden". Togo? Kämpften abseits des Feldes gegen Korruption, entschieden sich dann aber gerade noch rechtzeitig, ihre bedauernswerten Ärsche auf den Platz zu karren, um sich von der Schweiz öffentlich demütigen zu lassen. Südkorea? Spielten grauenvoll und folgten auf dem Platz einem Idioten, der seine Haare blondiert. Und so weiter.
Nun bin ich zwar nicht informiert, wann der Druckschluss für das Booklet der europäischen Albumversion von "Switzerland" vorlag. Etwas inkonsequent ist es aber schon, dass die Platte nun dem gänzlich fachfremden, dafür ewig siegreichen Roger Federer gewidmet ist und nicht etwa Mannschaftstrainer Köbi Kuhn, der sein Land nach Meinung einer großen deutschen Boulevardzeitung aufgrund des torlosen Schweizer Ausscheidens nach Elfmeterschießen in der Welt "löcherlich" gemacht hat.
Stammtisch-Humor, mit dem man bei Dick Valentine sicher offene Türen einrennt, wenn man sich seine Texte auf "Switzerland" einmal näher betrachtet. Zwar hält er die Electric Six-Lieblingsthemen Dauerparty, Frauen anbaggern und kompletter Sinnesverlust mit bemerkenswerter Stringenz über die volle Distanz durch.
So lustig wie bei den Landsmännern der Eagles Of Death Metal gestaltet sich der Rückfall in die Pubertät aber nicht. Nur der Partyheuler "I Buy The Drugs" macht nochmal mächtig die Pferde scheu, vor allem dank des Granatenrefrains: "I buy the drugs, I light the fire, I am your main supplier / I am your man and I buy the drugs / I could be the jumpstart for the car parked in your mind / cause you left the lights on all night long."
Diese Nummer belegt als eine der wenigen, dass wir es hier mit jenen Herren zu tun haben, auf deren Konto die nach wie vor unglaublichen Disco-Brenner "Danger! High Voltage", "Gay Bar" und "Synthesizer" (alle 2003) gehen. Ansonsten wecken höchstens noch der Bass-Brummer "Rubber Rocket", der Darkness-Klopfer "Mr. Woman" und das Eröffnungsstück "The Band In Hell" diese glorreichen Erinnerungen, in dem Valentine mit den bösen Buben Beelzebub (Gitarre) und Adolf Hitler (Drums) eine Gruppe bildet. Die countrylastige Ausrichtung mit Stadionrock-Refrain und geilem Gitarrensolo von Beelze, äh, Johnny Na$hinal unterscheidet sich deutlich von unsäglichem 80er Rockschmock wie "Night Vision" und der sonstigen Durchschnittsware.
Nicht einmal "Pink Flamingos" rettet die testosteronarme Vorstellung, wenngleich hier noch einmal das stilvolle Ästhetikbefinden der Truppe ans Tageslicht tritt (Stichwort: Vorgarten). Unterm Strich eine eher schale Rückkehr, die nicht mal eine ist, da schon 2005 still und heimlich der Nachfolger zu "Fire" erschienen ist. Traurig auch, dass Electric Six unter dem Motto "Swiss Vengeance Tour" nur in Amerika und Kanada touren, wo man den Schweizer Volkszorn schön auf Abstand halten kann.