laut.de-Kritik
Die Kunst der Vereinigung von Party und Vernunft.
Review von Philipp SchiedelBerlin Stadt prangert stolz auf dem Logo von Ellen Alliens hoch angesagtem Bpitch Control-Label, das mit Tok Tok, Sascha Funke oder Paul Kalkbrenner gerade für einigen Wind in der Elektro-Szene sorgt. "Berlin, du gibst mir die Kraft." sang sie auf ihrem erste Album, und nun ist sie also "Berlinette". Eine Stadt als roter Faden des Lebens und der Arbeit mit Musik.
Den Faden sucht man auf dem zweiten Werk der Djane mit dem schwarzem Haar aber erfolglos. Ellen lässt keine Definition zu nahe kommen, sondern springt zwischen den Styles wild umher. Der Gefahr, dass der Abwechslungsreichtum überhand nimmt und völlig daneben geht, entkommt sie mit dem einfach Mittel der Spannung. Über die Jahre haben die vielen DJ-Gigs wohl genug Erfahrung hinterlassen, dass man weiß, wo man die Nadel aufsetzten muss, ohne dass die komplette Tanzfläche sich aus dem Staub macht.
Verspielt hüpfen die Lämpchen auf und ab, pochen mit ihren vielen Breaks auf ein genaues Hinhören, um den Kern der Sache zu finden, und pumpen dabei noch ordentlich aus dem unteren Bereich. Bassläufe wie in "Trash Scapes" klingen so kühl maschinell nach Autechre, sind aber gleichzeitig fantastisch gewollt tanzbar. Diese Kunst der Vereinigung von Party und Vernunft meistert Frau Allien über das ganze Album auf eine sehr intelligente Weise, die das Zuhören fordert, für die man aber kein Buch lesen muss.
Großen Anteil daran hat ihr wundervoller Gesang, den sie aber immer erst mal durch einen Vocoder-Maskenball zieht, bevor er unmenschlich anmutend diese gefühlvollen Melodien singt, die dann doch nur von einem Menschen kommen können. "Berlinette" ist vielleicht auch ein kleines Zeichen ihrer inneren Zerrissenheit zwischen großer Begeisterung für die Maschine (Breaks, Melodien zurückschrauben, abstrakte Sounds) und dem menschlichen Wärmegefühl, von dem man sich nicht loszerren kann. "Wo Is Where – What Is When – Why We Are Here" fragt sie sich und versteht wohl selbst nicht, wo ihr Weg hinführen soll.
Egal, wie cool sie ein Knarzen kopfnickend verpacken kann ("Push") und egal wie verrückt sie ihre Spuren übereinander abspielt ("Secret"): der Pop steckt doch noch tief in ihr. "Sehnsucht", als bestes Beispiel dafür, stampft so abweisend und ist doch wieder so leicht beflügelt, um in einem schlicht gehauchten "Bap Bap" und Synthie-Keyboards seinen Hit zu finden.
Wer letztes Jahr in Akufens abgefeiertem Sample-Monster "My Way" die Leichtigkeit und den Melodienbezug in der Soundmixtur vermisste, der greife hier bitte zu. Ellen hat zwar keinen zweites Burner à la "Stadtkind" in Petto. Aber ist es nicht viel besser zu wissen, dass sie sich es nicht so einfach macht und mit wirren Kaspereien wie "Erdbeermund" genauso gut kickt?
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