laut.de-Kritik
Armenische Folklore. Natürlich mit Serj Tankian.
Review von Patrick BinderEmirsian. Wer ihn nicht kennt, könnte zunächst an eine Mittelalter-Pagan-Metal-Band denken. Doch auf den zweiten Blick erweist sich Emirsian als das Soloprojekt von Aren Emirze, einst Sänger und Gitarrist der Frankfurter Noiserocker Harmful. Solo schlägt Aren allerdings etwas ruhigere Töne an. Auf seinem fünften Album "Lezoon" verbindet der Singer/Songwriter mit armenischen Wurzeln klassische Akustiksongs mit Stilelementen armenischer Folklore und Texten.
Passend zur Trennungsthematik beginnt die Scheibe zwar mit dem Track "Zerschlagenes Herz", was Böses erahnen lässt. Man könnte ein musikalisches Ungetüm à la Unheilig dahinter vermuten. Doch die Befürchtung erweist sich als unbegründet, denn der Opener ist eine recht schöne Akustiknummer – gezupfte Gitarre mit deutschen und armenischen Lyrics im Wechsel. Der Text beruht auf einem ins Armenische übersetzten Gedicht Konstantin Weckers, der eigentlich auch hätte mitmachen sollen, doch das Feature kam nicht zustande.
Die melancholischen "Ov Der" und "Lezoon" basieren auf alten armenischen Gedichten, untermalt mit gezupfter Gitarre, Drumcomputer und Piano. Überhaupt wühlt Emirsian tief in seinen armenischen Wurzeln. So entstanden die Lyrics zu "Yerp Bidi Kidnas" und "Verchin Toure" in der Zusammenarbeit mit Zahuri Berberian, einer 94-jährigen Armenierin, deren Tochter lustigerweise die Trauzeugin von System Of A Down-Frontmann und Landsmann Serj Tankian ist. Der hat dann auch einen Gastauftritt im melancholischen, dunklen und streicherbetonten "Verchin Toure".
Auch für "Lichtjahre" bedient sich Emirsian textlich bei Kollegen. Die Lyrics stammen ursprünglich von Tobias Friedrich, der mit Produzent Moses Schneider (Tocotronic, Beatsteaks, Fehlfarben) in der Gruppe Husten spielt. Diese hat einen gleichnamigen Song – musikalisch allerdings weniger depri verpackt, als bei Emirsian. Schneider verantwortet übrigens auch die Produktion von "Lezoon".
In "End Of Time" kommt mit düsteren Soundwänden und tragendem Getrommel Emirzes musikalischer Background zum Vorschein. Mehr davon wäre schön gewesen, denn mit "Einer Von Uns" und vor allem "Wolken" sind zwei Tracks auf der Platte, die den guten Gesamteindruck etwas schmälern. "Einer Von Uns" ist furchtbarer Radio-Pop und "Wolken" wäre auf Giraffenaffen besser aufgehoben gewesen, singt doch Emirzes Tochter Veron. Eine nette Idee zwar, passt aber nicht zum Rest des Albums. Dennoch zeigt sich "Lezoon" als eine solide und abwechslungsreich düstere Platte zwischen klassischem Akustik-Singer/Songwriter und kaukasischer Folklore.
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