laut.de-Kritik
Verträumt, verkitscht und sentimental.
Review von Lena BayerEnnio zieht es vom "Nirvana" (2022) ins "Schlaraffenland". Zwei Jahre nach seinem Debüt errichtet sich der Münchener seinen happy place: "Im Prinzip ist mein Schlaraffenland unsere Welt, nur auf 120 Prozent hochgefahren, mit allen Höhen und Tiefen". Dabei klingt der Grundton der 16 Songs vor allem verträumt und verkitscht, aber auch ein wenig sentimental.
Im Opener "Strategie" beschreibt Ennio, wie die besten Partynächte beginnen: "Ich wollt' heut eigentlich nichts trinken / Ich wollt' heut eigentlich nicht raus". 'Never change your winning strategy' zahlt sich als "besten Tag des Jahres" aus. Uptempo mit kratzigen Gitarren kommt die rockig anmutende Seite zum Vorschein, die vor knapp drei Jahren seiner tiefen Stimmen und seiner ersten, deutschsprachigen Single "Blaulicht" Aufmerksamkeit bescherte.
Nach Supportshows für Provinz und Jeremias wurde er 2022 in den jungen ARD-Stationen als "Newcomer des Jahres" ausgerufen. Erste ausverkaufte Headlinershows und einen festen Platz in der jungen, deutschsprachigen Indieszene waren die Folge. Thematisch geht es bei dem Anfang Zwanzigjährigen ums Älterwerden, die Zeiten, die nie wieder kommen ("Zeit x RIN", "Mein Armes Herz"), das sich Treiben lassen, "Die Jungs" und die Eine.
Was Ennios rauchiger Stimme fast noch besser steht, sind die ruhigen Nummern am Klavier, etwa "Palmen", das nur von einigen Streichern begleitet wird. Die Ballade "Allein" versteht sich als Antwort auf die "Kippe" seines ersten Albums: "Geh' ich noch mit dir oder allein?" Der Song beginnt mit der simplen wie bedeutungsschweren Erkenntnis des Älterwerdens und der vielleicht schönsten Zeile des Albums: "Auf einmal hab' ich 'ne Vergangenheit".
Ohne kratzige Gitarren oder gefühlvolles Klavier kommt das Feature mit Nina Chuba aus. "Fühlst Du Gar Nichts?" startet mit einem treibenden, aber unaufgeregten Latin-Beat. Es scheint, als lasse sich diese Gelassenheit auch auf das Ende der besungenen Beziehung übertragen: "Muss nicht mehr wütend sein / Bin ich mit dir allein / Denn ich fühl' gar nichts / Fühlst du gar nichts?".
Zuweilen wirken die Songs an der ein oder anderen Stelle sehr verkitscht, einmal wird sogar schräg: Sorgt der Chor im Hintergrund von "Geheimnis" doch für Schlagerfeelingg. Etwas Schmyt, nur ohne Schmyt gibts bei "Rotwein". Danach findet Ennios "Schlaraffenland" mit dem gleichnamigen Song und einer Ode an die TV-Serie "SimsalaGrimm" sein Ende: "Komm mit mir, nimm meine Hand / Ich bau' uns ein Schlaraffenland". Was langsam startet, dreht im Refrain voll auf und lässt dieses wohlige Gefühl zurück, das es so wohl nur dort geben kann.
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