laut.de-Kritik
Metallische Blockbuster-Sounds im Breitwand-Format.
Review von Yan VogelMit der siebten Platte beackern die holländischen Symphonic Metaller das Feld, das einst Nightwish bestellten. Die Riege an Epigonen ist groß, man denke an Within Temptation oder auch Beyond The Black. Aber nur die Gruppe um Frontelfe Simone Simons ist gewillt, an die Marktführer qualitativ anzuknüpfen. Bei Epica ist der Name Programm. Dabei folgt das Sextett auf ihrem siebten Album keinen sonderlich neuen Pfaden, sondern setzt auf die Maxime, die der moderne Mensch sich auf die Fahne geschrieben hat: höher, schneller, weiter.
Durchdachte, vielschichtige Kompositionen verfügen in der Fülle an Details und dem markanten Wechsel aus Kraft- und Klargesang über genügend Alleinstellungsmerkmale. Dennoch docken die fliegenden Holländer*innen in einzelnen Tracks an die Größen des metallischen Blockbuster-Sounds im Breitwand-Format an.
Das Thema des Disney-kompatiblen Intro leitet über in den Opener "Abyss Of Time". Die Chöre türmen sich auf wie bei Blind Guardian. Das Riffing gerät fesch wie bei Nightwish. Ähnlich den filigranen Kompositionen aus den Federn der Holopainens oder Olbrichs wechseln die Parts in minutiöser Machart und dynamischer Abstufung.
Beide Vocalisten sind Meister*innen ihres Faches. Vor allem Simone Simons hat noch einmal einen Sprung in Sachen Ausdruck und Facettenreichtum gemacht, woran sicherlich auch die maliziös-verführerische Darstellung des Todesengels in Ayreons Musical "Transitus" einen Anteil hat. Die Frau agiert als Mrs. Bombastic wie bei den meisten female fronted Bands allein auf weiter Flur und durchbricht insbesondere bei den himmlisch-hochfliegenden Refrains die Wolkendecke.
Mountain King John Oliva lugt bei "The Skeleton Key" kurz hinter den Tasten hervor. Das Musical-Flair und die theatralische Inszenierung sind wie gemacht für die großen Bühnen. "Seal Of Solomon" oder "Code Of Life" gemahnen an Myrath oder Orphaned Land mit der leicht orientalischen Gangart nebst weltmusikalischen Farbtupfern.
Dem Abwechslungsreichtum dienlich sind harsche Riffs, die straight outta Bay Area oder auch von den Hollywood-Düsterheimern Dimmu Borgir stammen könnten. Das Herzstück von "Omega" lautet "Kingdown Of Heaven, Pt. 3". In den dreizehn Minuten steckt genügend Material für eine Sinfonie. Das hätte selbst der gute alte Ludwig Van nicht mal eben zwischen dem Aufschlagen zweier Frühstückseier hinbekommen.
Heilsgeschichtliche Erzählungen sind so alt wie das Denken selbst. Epica greifen gerne auf mystische Ansichten zurück, die mancher Wissenschafts-Narr unter den Aluhut packen dürfte. Der Vorgänger zu "Kingdown Of Heaven" von "Design Your Universe" spielt mit dem Gedanken Szientismus und Spiritualität zu vereinen. Nun also steht der Omega-Punkt im Fokus der Lyrics. Alte, okkulte Weißheitslehren wie die Smaragdtafeln von Toth und die Schriften des Gnostizismus beeinflussen Epicas Konzept ebenso wie moderne Ansichten. Teilhard De Chardin beschreibt den Omega-Punkt als letzte Entwichklungsstufe, formvollendete Liebe und Ziel allen Daseins. Soweit so kitschig. So überladen die Musik, so überbordend gerät das Sujet. Das rührende "Rivers" plätschert arg dahin, bevor das Abschluss-Trio alle Register zeigt und selbst einem theatealischen Tausendsassa wie Tobias Sammet die Tränen in die Augen treibt.
Joost van den Brook, der verantwortliche Produzent, kennt sich aus mit gigantischen Produktionen. Er inszenierte die bisherigen Ayreon-Shows und fungierte als musikalischer Leiter. Der Mann hat das großformatige Musizieren von der Pike auf gelernt. Für "Omega" verfrachtete er die ganze Band aufs Land in ein abgelegenes Haus. Alle unter einem Dach haben ein wahres Klassikmetal-Monster erschaffen. Wem die Platte die Luft zum atmen raubt, der kann sich auch an der Akustikeinspielung "Omegacoustic" erfreuen.
5 Kommentare mit 3 Antworten
Für Menschen, die mit über 30 noch bei Disneyfilmen heulen.
On point
Frozen ist aber auch echt ein dramatischer Film! Aber gut ich bin auch erst 25, vielleicht liegts daran
Sehr gutes Album 5 Punkte
Top Album!
Erstaunlich ertägliches Album. Hätte ich so nicht erwartet.
Der Produzent heißt übringens Joost van den Broek, nicht van den Brook.
Rad neu erfunden? Nein.
Mit 70 Minuten Spielzeit gar etwas ausufernden? Ja.
Trotzdem ein wunderschönes Album? Definitiv!
Eine der wenigen Symphinic Metal Bands die mit ihrem epischen Sound nicht über mangelnde Kreativität beim Songwriting hinwegtäuschen müssen sondern tatsächlich gute Lieder machen.