laut.de-Kritik
Diese Geister will man nicht loswerden.
Review von Alexander KrollWas ist dein Lieblingshorrorfilm? Die Frage kennt jeder. Zumindest, wenn er die "Scream"-Filme gesehen hat. Weniger bekannt: Was ist deine Lieblingshorrormusik? Eine Antwort könnte lauten: Esben And The Witch.
'Nightmare Pop' heißt das Label, das die Presse der Newcomerband aus Brighton verpasst hat, um deren komplexen Gothic-Postrock auf einen Nenner zu bringen. Doch das Trio, das als erste britische Band seit Langem einen Plattenvertrag bei Matador Records bekommen hat, verwendet Schubladen am liebsten als Falltüren. Nach einer EP und Vinyl-Single eröffnen Esben And The Witch auf ihrem Debüt-Album eine berauschende Geisterbahn.
Auf "Violet Cries" beschwört die Band um Sängerin Rachel Davies, Gitarrist Daniel Copeman und Keyboarder Thomas Fisher den Schallraum zwischen den Extremen. Minimalistisch entspinnt der Opener "Argyria" ein synästhetisches Spinnennetz aus Gitarrenklängen und sobald er es zum Höhepunkt einer Wall of Sound verdichtet hat, die Mogwai stolz machen würde, hält er ihn so lange es erträglich scheint.
"Violet Cries" bleibt immer auf der Kippe. Der schmale Grat der Schauerromantik zwischen den Abgründen von Gothic-Kitsch und Prog Rock-Leier reicht vom kryptischen Cover-Design der Titel, die nach mittelalterlichen Krankheiten benannt sind bis zur vielfachen Wiederholung in der die Langeweile lauert. Und doch gelingt der jungen Band mit beispielloser Konzentration über weite Strecken das Unmögliche: Sie setzt Elemente genau dort, wo sie eigentlich in sich zusammenstürzen müssten.
In besonderen Momenten scheinen die Töne auf dem Album so, als hörte man Musik zum ersten Mal. "Just close your eyes" singt Rachel Davies auf "Hexagons" mit einer nuanciert unheimlichen Klangfarbe, die an Portisheads Beth Gibbons erinnert. Mantrahaft bringt der Hallraum von "Light Streams" Beats, Poesie und ein kickendes Gitarrenriff zur Welt, bis der Song mit Backing Vocals im Stil von The XX ein packendes Finale erreicht.
Nicht zuletzt klingt "Violet Cries" bei allen genre-üblichen Verdächtigungen, erstaunlich cool. Mit "Warpath" gönnt sich die Platte den schwerverdienten Popsong. Den Höhepunkt erreicht sie mit "Eumenides", das als engelhaftes Choral beginnt, bis es Beats wie Nadeln tanzen lässt und endgültig den Hype um die Band erklärt.
Sollten sich Esben And The Witch in Zukunft mehr in elektronische Bereiche vorwagen, könnten sie auch gleich das eingeschlafene Trip Hop-Genre wecken. Brighton ist nicht weit von Bristol.
1 Kommentar
hui, das klingt mal sehr interessant