laut.de-Kritik

Ringelpietz auf Walthers Vogelweide.

Review von

Still und fast schon heimlich erarbeitete sich Oliver 'Satyr' Pade mit Faun eine ganz eigene Nische in der Mittelalterszene. Ganz nebenbei setzte er sich noch an die Speerspitze der Neofolkszene. Großartige Alben wie zuletzt das akustische "Buch Der Balladen", "Renaissance" oder "Totem" brachten ihn und seine Truppe auf einen Pfad, der konsequenterweise zu einer Platte wie "Eden" führen musste.

Hier wird nicht gekleckert. Hier wird geklotzt. Alles will Kunst sein. Schon das ausufernde Booklet - mit 70 Seiten voller Texte, Malerei und Erläuterungen zu den einzelnen Tracks - zeigt, wo es lang geht: 14 filigran instrumentierte Lieder in 70 Minuten zwischen mittelalterlich bedingter Einfachheit und komplexer Klangweberei. Vieles mit gefühlten 80 Instrumenten pro Song. Einflüsse archaischen Folks von den kalten Burgen des Nordens bis hin zu angedeuteten arabischen Skalen und Orientmelodien. Dazu ein bisschen Alibi-Elektronik für den Ringelpietz auf Walthers Vogelweide.

Nach dem letzten Unplugged-Lebenszeichen der Minnesänger ist es durchaus erfreulich, dass Pade den Steckdosenfaktor ziemlich weit herunter fährt. Alle Klänge können in dieser Produktion atmen und atmosphärisch dekantieren. Wer den derben E-Wumms sucht, der bediene sich besser weiterhin bei den frühen Saltatio.

Über die gesamte Albumlänge demonstrieren die Wolfsgötter hier eine musikalisch handwerkliche Souveränität, die in der Szene ihresgleichen sucht. Deutscher Urknall-Darkfolk à la "In My Rosary", und die meisten der Marktschreiercombos stehen daneben wie amateurhaft überforderte Schülerbands. Künstlerisch bleibt es ein Rätsel mit sieben Siegeln, warum die begabte und versierte Bandmitbegründerin Birgit Muggenthaler schon nach kurzer Zeit das Handtuch warf und sich den schlagerhaften und gesanglich wenig souveränen Schandmäulern anschloss.

Trotz der ganzen Lobhudelei: "Eden" entpuppt sich indes leider als nicht ganz so paradiesisch wie erhofft. Der Faune größte Stärke - das kompetent ausgelebte Künstlertum - scheint mit dem guten Oliver doch ein wenig durchgegangen zu sein. Am Ende ist es mehr Schlagseite als Breitseite.

Los geht die Pilgerreise mit dem atmosphärischen "Lupercalia". Diese Luperkalien - tradierte Festivitäten des Wolfabwehrers und Herdengottes Faun - besingen Satyrs Musen Fiona und Rairda. Das Lied selbst: eine solide Eigenkomposition der Marke Dead Can Dance-Epigone anno "Realm Of A Dying Sun".

Wer sich so weit vorwagt, fordert den Vergleich mit der stimmgewaltigen Königin der Nacht geradezu heraus. Obwohl beide Faun-Chanteusen ihren stimmlichen Job sehr gut machen - keine Selbstverständlichkeit im Genre - kratzen sie selbst zu zweit nicht im entferntesten an Volumen und Koloratur-Charisma der Australierin. Ein etwas schaler Beginn.

Die verkrampft künstliche Kategorie-Erfindung 'Pagan Folk' Pades suggeriert etwas Großes und Originales. Das stimmt jedoch nicht. Die Szenevorbilder bleiben durchaus sehr präsent. Die Musik zu "Adam Lay Ybounden" gemahnt all zu sehr an alte 'Heavenly Voices'-Kracher wie "Lovely Joan" von den Pionieren Miranda Sex Garden. In weiten Teilen der Platte erinnert man sich zudem an Sigrid Hausens Qntal oder Estampie. Zu guter Letzt muss es mit "Pearl" natürlich auch ein Zitat der Feenkönigin Loreena geben.

Hierin offenbart sich die oft unterschätzte Krux des Genres. Wer konsequent beim Komponieren und Wiedergeben mittelalterlicher Strukturen bleibt, läuft Gefahr, ob der vergleichsweise musikalischen Zurückgebliebenheit der uralten Weisen immer nur auf ausgelatschten Wegen zu wandeln. Wer hier nicht gerade den melodischen Knaller des Jahrtausends ausgräbt, kann kaum noch Neues im Sinne von Eigenständiges erschaffen. Oliver Pades Hang, viele Songs arg in die Länge zu dehnen, ist dabei nicht gerade hilfreich. Das auf den Punkt kommen der früheren Scheiben tritt hier zugunsten opulenter Landschaften sehr in den Hintergrund.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Das Jammern findet hier auf sehr hohem Niveau statt. Gemessen am mehrheitlichen Rest des Genres ist die Platte fast ein Monolith. Gemessen an dem etwas bauchladenhaft unter die Nase geriebenen Anspruch und den musikalischen Fähigkeiten der tollen Band ist "Eden" aber nicht jenes Meisterwerk geworden, zu dem Faun sicherlich zukünftig fähig sind. Spaß machen Reels wie "Oynerg Yar" oder der bretonische Landwein "Ynis Avalach" dennoch allemal. Beim nächsten Mal bitte mehr teuflische Würze für den Garten Gottes.

Trackliste

  1. 1. Lupercalia
  2. 2. Zeitgeist
  3. 3. Iduna
  4. 4. The Butterfly
  5. 5. Adam Lay Ybounden
  6. 6. Hymn To Pan
  7. 7. Pearl
  8. 8. Oyneng Yar
  9. 9. Polska Fran Anderson
  10. 10. Alba
  11. 11. Ynis Avalach
  12. 12. Arcadia
  13. 13. The Market Song
  14. 14. Golden Apples

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6 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    mukke für blockflötengesichter...

  • Vor 13 Jahren

    "Um einem Missverständnis vorzubeugen: Das Jammern findet hier auf sehr hohem Niveau statt. Gemessen am mehrheitlichen Rest des Genres ist die Platte fast ein Monolith."
    Eben, und aufgrunddessen wären mindestens 4 punkte gerechtfertigt gewesen. Aber gut, ist auch Geschmackssache.
    Hab grad gesehen wenigstens gibts ein Profil jetzt aber auch das ist mit fehlern durchsetzt und sehr schlampig erstellt, ein Album ist falsch benannt und was ist das denn für ein Profilbild? das sind nicht die Bandmitglieder, sondern nur ein Teil mit fans, peinlich.
    Man merkt anhand der schlampigen Umgangsweise und der REzension dass man bei laut.de wohl kein interesse an "Mittelalter"-Musik hat (zumindest wenn es nicht die langweilige Rockvariante ist), der Rezensent hat sich ebenfalls nicht mit dem Werk befasst das musikalisch NICHTS herausgearbeitet wurde und im Prinzip Genre-Bashing betrieben wird. Schade drum, naja, andere Musikseiten haben qualitativ lau.de eh längest überholt wie es scheint.

  • Vor 13 Jahren

    die kritik ist deshalb so geschrieben, feary, weil es stimmt. zumindest als sichtweise.
    wenn du die kritische und gewohnt kompetente liebe zu band/genre nicht herausliest, muss das ja nicht zwingend am verfasser liegen....

  • Vor 13 Jahren

    also, ohne den letzten Abschnitt müsste man FoM ja recht geben. Aber ebenjener (der ja sogar von ihm zitiert wird) nimmt der ganzen Geschichte halt schon die (imo) unbeabsichtigte Schärfe. Ich mag die Band auch, muss aber gern auch ab und zu eingestehen, dass die Lieder manchmal ein wenig auf der Stelle treten. Also im Sinne von mehr Pepp und schmiss wär vielleicht manchmal ganz gut.

  • Vor 13 Jahren

    Naja, hab's grad mal wieder reingelegt u. durchgehört und bin immer noch begeistert. Stimmt, hier und da noch ein bisserl mehr Schmiss wär ganz gut, da geb ich cafpow recht, zudem des Herrn Satyr überbetontes Englisch ja auch manchmal etwas ... naja ... gewöhnungsbedürftig wirkt. Aber andererseits machen Faun ja kein Mittelalter-Rock oder Metal, ist eben weniger "schmissig" dadurch.

    Schade, dass auch nix über das rundum gelungene Artwork hier gesagt wurde, zudem dass ganze ja mehr oder weniger ein gelungenes Konzeptalbum, damit gesamtkunstwerk, ist, und auch so gesehen werden sollte.

    Grandios find ich auch die thematischen Sprachsamples, einmal das großartige Rumi-Zitat und dann der geniale Alan Watts ... gepaart mit George Bush, hah .... was ein Wahnsinnsduo :-), gegensätzlicher wohl kaum noch möglich. Scheint auch hier leider untergegangen zu sein, wäre einen anerkennenden Kommentar meineserachtens wert gewesen.

    Sehr schön auch wieder die musikalische Vielfalt insbesondere was die orientalischen Klänge angeht (ok, bin auch "Weltmusik"-hörer, da fällt es mir leicht).

    Hier mal, um die Negativreview auszugleichen, (ich geb's zu: von der faun-homepage gerade wegkopiert und damit natürlich selektiv ;-)) ein paar positivere stimmen, die meinesachtens auch so größtenteils gerechtfertigt sind:

    SONIC SEDUCER
    "Pagan Folk der Spitzenklasse. Ein Konzeptalbum, das in seiner musikalischen, optischen und inhaltlichen Breite neue Maßstäbe setzt."
    - P. Heymann

    ZILLO
    "FAUN weben einen Klanggobelin, der die Jahrhunderte mit einem fein gesponnenen roten Faden zusammenführt. Paradiesisch!"
    - C. Kutzer
    "Eine zauberhafte musikalische Reise."
    - K. Logemann

    ZILLO MEDIAVAL
    "Die Produktion ist exzellent. Flöten, Gesang und Saitenspiel rufen unweigerlich Bilder von paradiesischer Schönheit hervor. Und doch ist "Eden" eben kein naiv eskapistisches Album. Eher ein klingender Wegweiser zu Mythen, die uns vielleicht dazu bringen können, im Hier und Jetzt bewusster zu leben und somit ein Brückenschlag zwischen der Antike und dem Jahre 2011. Großartig!"

    RBB-KULTURRADIO
    "Insgesamt ist die Edition grafisch geradezu kunstvoll gestaltet! Aber ohne Zweifel vermittelt sich der große Zauber der FAUN-Musik auch dann, wenn man sich nur dem Klang zuwendet."
    5 von 5 Punkten

    WWW.DER-HOERSPIEGEL.DE
    ""Eden" ist eine faszinierende Reise in eine spirituelle Welt. Faun haben sich mit "Eden" selbst übertroffen!"
    9 von 10 Punkten

    WWW.MUSIKANSICH.DE
    "Eden ist von der ersten Sekunde an ein überzeugendes Album. Rundum gelungen!"
    19 von 20 Punkten

    WWW.METAL-DISTRICT.DE
    "Fazit: Besondere Anspieltips müssen hier leider entfallen, es wären einfach zu viele geworden ? das ganze Album ist ein einziger Anspieltip! Um es anders zu formulieren: Im Normalfall wünscht man sich, egal von welcher Band, bei Liveauftritten nach Neuveröffentlichungen eine gesunde Mischung aus altem und neuem Material. Im Fall von "Eden" wäre ich tatsächlich beleidigt, wenn nicht jeder einzelne Song des Albums den Weg auf die Bühne findet, was definitiv eines der größten Komplimente ist, das ich für ein neues CD-Release aussprechen kann."
    9,5 von 10 Punkten

    GANDALF
    "THIS CD SHALL PASS"

    :)

  • Vor 13 Jahren

    du beliebst mich miss zu verstehen.
    ich vermisse keinen schmiss oder ähnliches von den grobmotorikern des genres.
    meine begründung orientiert sich an fauns früheren sachen. und damals kamen die aus meiner sicht mehr auf den punkt. bush, artwork und so weitwer.... alles schön und sicherlich auch erwähnenswert, was ich auch tat.

    dennoch sind die songs eben nicht unbedingt der stein der weisen, wenn man sich im genre auskennt.

    die etwas belächelzen omnia haben das auf der letzten platte weniger artsy fartsy gemacht und sich an songwriterikonen wie david tibet orientiwert.

    und wenn mqan mich mit weltmucke ködern will, dann geht das auch. aber eben auch interessanter; wenn melechesh oder orphaned land (orientalen) orientalische klänge machen und nicht nachmachen.

    ausserdem sind es keine zwei punkte