laut.de-Kritik

Eine emotionale Hölle, in der man sich wohl fühlt.

Review von

Fetish 69 ist eine Formation aus Österreich, die schon seit einiger Zeit düstere elektronische Musik kreiert. Ihr Sound auf "Atomized" ist beklemmend, erotisch, manisch und euphorisch zugleich. Die Platte verschmilzt Aggressivität, Sexualität und Melancholie in Form von elf hervorragend arrangierten Tracks. Aus der Mischung aus Elektro, Trip Hop, Industrial und Cyberpunx entstehen Soundlandschaften, die erbarmungslos unter die Haut gehen. Hier spürt man auch die Liebe fürs Detail. Perfekt inszenierte Soundeffekte und Samples geben dem Album das gewisse "Etwas".

Der Opener "Metallic Sleep" beginnt mit einer düster verzerrten und übersteuerten Bassline, die gemeinsam mit übereinander gelegten Vocals das Böse herauf beschwört. Der Rhythmus wirkt dagegen paradox animierend, und der Einsatz von diversen Gitarrensamples unterstützt diese disharmonische Stimmung. Parallelen zu "Tricky" sind hörbar, und dies ist sicher keine Schande. Der Gesang in "Omega-Tier" erscheint manisch depressiv und geheimnisvoll, der Sound dagegen tanzbar und brachial. Dies bewirkt die Verschmelzung von Industrialgeknarze mit einem groovenden straighten 4/4 Beat.

"Cocoon" ist dagegen eine melancholische und wunderschöne getragene Ballade. Die Stimme des Sängers hört sich hier im Gegenteil zum vorherigen Track angenehm warm und harmonisch an. Bei "Strain" hingegen muss ich immer wieder an "Twin Peaks" denken, es würde hervorragend zum Soundtrack passen. Die Big Band-Instrumentierung vermittelt eine gewisse Zeitlosigkeit und hinterlässt eine unheilvolle Stimmung. Hypnotisch anziehend und aggressiv zugleich kommt "Cancer Days" daher. Ein vertrackter Rhythmus zieht seinen roten Faden durch das vielschichtig gehaltene Lied.

Der anregendste Song des Albums ist das brillante "All That Sex". Er ist sexy, hypnotisch, und verrufen - ein stimulierender Rhythmus, minimalistischer Einsatz von fies verzerrten elektronischen Klängen, ein pumpender Bass, erregende Frauenstimmen und das rauchige Organ des Sängers verstärken diese Wirkung bis zur Ekstase. Ganz anders erinnert "Enter The Hollow mehr an den Titelsong eines Schwarz/Weiß-Horrorfilmes. Wieder hört man getragene und beklemmende Big Band-Elemente und diverse Samples, die man noch aus alten Gruselfilmen kennt. Auch der Songtext beweist eine Brise Humor - "... somebody stole your remote control, and burn a hole inside your soul ...".

"Hyper Real" scheint wohl die dazu gehörige Hintergundmusik aus dem erwähnten Horrorfilm zu sein. Klassische Soundelemente werden zu einer ruhigen Soundkollage zusammen gefügt die sich bis zum nächsten Track "Detox" fortsetzt. Dort gibt's dann wieder tiefer gestimmte verzerrte Basslines. Der Gesang scheint zuerst klar und fast schon poppig - bis zum Break. Dann wird der Stimmverzerrer angeworfen, und der Beat wandelt sich fies und aufdringlich. Ein ungewohnt langsamer Breakbeat bestimmt hier den Rhythmus und baut zum Schluss hin ein pulsierendes Rhythmusgerüst aus scheppernden Hihats, drückenden Bassdrums und extremen Noises auf.

Schließlich geben Fetish 69 mit einer sehr ungewöhnlichen, aber interessanten Coverversion des 1979 entstandenen Punk-Klassikers "We Are All Prostitutes" von The Pop Group richtig Gas. In prodigyähnlichem Gewand quälen sie ihre Geräte. Aggressiver Gesang, vertrackte Rhythmen und enorme Geschwindigkeit bringen hier alles auf den Punkt, das ist wahrer Cyberpunx.

So beklemmend und psychotisch dieses Album sein mag, es zieht einen vielleicht gerade deswegen in seinen Bann. Eine Scheibe, die einem viel geben kann, wenn man sich in dieser emotionalen Hölle wohl fühlt.

Trackliste

  1. 1. Metallic Sleep
  2. 2. Omega-Tier
  3. 3. Cocoon
  4. 4. Strain
  5. 5. Cancer Days
  6. 6. All That Sex
  7. 7. Bodycontrol
  8. 8. Enter The Hollow
  9. 9. Hyper-Real
  10. 10. Detox (Feat. Sofa Surfers)
  11. 11. We Are All Prostitutes

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