laut.de-Kritik

Quadratisch. Praktisch. Gar nicht mal so gut.

Review von

Technik, Reimschemata, Geschwindigkeit: Alles von vorgestern, belehrte Fler in Interviews zur Veröffentlichung seines neuesten Werks jeden, der es hören wollte. 2012 komme es im Rap ausschließlich auf etwas an, das er, wohl in Ermangelung einer deutschen Vokabel, "personality" nannte.

Ein netter Versuch, Kritikern, die sich an seinem Vortrag stören, das Wasser abzugraben. Das vor Mafiafilm-Romantik triefende "Intro" schlägt in dieselbe Kerbe: "Fler bewegte sich vielleicht langsam. Aber bloß, weil er es einfach nicht nötig hatte, sich für irgendjemanden zu bewegen." Damit laviert sich Fler in eine äußerst bequeme Ausgangsposition. Er könnte ja, er will halt nur nicht. Es geht schließlich um "personality".

Worin die ominöse Persönlichkeit bestehen soll, die für die herrschende inhaltliche Einöde, den größtenteils mittelmäßigen Flow, den weitgehenden Verzicht auf Satzbau oder auch nur einen wie auch immer gearteten Sinn und die allgegenwärtigen schauderhaften Autotune-Hooklines entschädigen soll, darüber findet sich "Hinter Blauen Augen" allerdings kein Aufschluss.

Fler definiert sich einzig und allein über sein angeblich ach so dickes Bankkonto. "Hinter blauen Augen denk' ich nur ans Hustlen." Seine Welt rotiert um Marken und Statussymbole. Alles andere: "Scheißegal, solang' ich meine Scheine zähl'."

Vielleicht könnte man ein paar davon statt in das nächste Auto, ein weiteres Paar Schuhe oder noch ein Jäckchen in eine logopädische Behandlung investieren. So teuer ist das gar nicht - und ch und sch kämen einem tatsächlich unterschiedlich über die Lippen. So oder so bleibt "Yeah! Sie nenn' misch Fler!" mein Lieblingsreim auf diesem Album. Doch ich schweife ab.

"Geld kann dich erlösen." Möglicherweise glaubt das tatsächlich, wer unter erbärmlichen Bedingungen groß werden musste. Eigentlich hat jemand, der sich neben dicken Karren, der Rolex, der Breitling und dem Schampus Anerkennung, Respekt, Freunde, Frauen und Zuneigung kaufen muss, keinen Spott verdient. Neid sowieso nicht. Nur Mitleid.

"Ich lass' mein Geld reden." Die "neue emotionale Tiefe", die "Hinter Blauen Augen" angeblich ausloten soll, erschöpft sich in weinerlichem Lamentieren über die Frauen, die Fler - seit er reich ist - in Scharen nachlaufen (behauptet er), die aber - Überraschung! - allesamt nur auf sein Geld scharf sind. Is' ja 'n Ding.

Die eine "Die Eine"-mäßige Ausnahme unter den willigen, billigen Model-Hühnern, seine "Nummer 1", glaubt Fler trotzdem gefunden zu haben. Neben den Äußerlichkeiten - "Deine Augen, deine Haare, dein Gesicht" - scheint es allerdings auch da an der "personality" zu kranken. Jedenfalls schweigt sich Fler darüber gediegen aus. Blöd nur, wenn man dann feststellt: "Schönheit Ist Vergänglich".

"Ich häng' mit den Jungs ab, du gehst zum Frisörtermin." So stellt man sich im Hause "Emm-Ah-Ess-kulin" also erfüllende Zweisamkeit vor. Nunja, dort hält man es auch für den Inbegriff des Gangstertums, Horden unterbelichteter Jünger mittelprächtige Platten anzudrehen, und denkt, ausgiebige Shoppingtouren lieferten den Beweis für besonders ausgeprägte Männlichkeit.

"Wer uns frontet, der verliert, denn ihr seid so female", unterstellt Fler im Bonustrack "Team Blade" zusammen mit Kool Savas seiner Gegnerschaft. Allen Ernstes? Nachdem er ein Album lang mit der weibischen Frage "Gucci oder Louis - ich muss mich entscheiden" gerungen hat und - in "Lui V Alles" unter der Last seiner Einkaufstüten schier kollabiert ist, mutet das wie ein schlechter Witz an.

Vom penetranten Einsatz von Autotune kann man sich im Grunde nur noch verarscht fühlen. Fler singsangt sich durch eine schlimme Hook nach der anderen. "Lady Killa" markiert den traurigen Tiefpunkt: Hier verzichtet er gleich ganz auf den Rap - mit tatsächlich nahezu letalem Ergebnis. "Ich bin eins achtzig groß, doch eins neunzig breit." Quadratisch. Praktisch. Gar nicht mal so gut.

Wo der Vocodereffekt ausnahmsweise im Schrank bleibt, schmachtet sich, er kanns auch ohne, Moe Mitchell einen ab: "Ich bin ein Vampiiiir", heult er in "Nightlife". Jetzt noch auf den "Twilight"-Zug aufspringen: auch ein bisschen spät. French Montana und Silla schmähen in "Zu Gangster" "sucker emcees", ohne auch nur die leiseste Idee zu vermitteln, was einen solchen ausmacht und sie selbst davon unterscheidet.

Abgesehen von diesen kurzen Gastspielen schmeißt Fler seinen Laden im Alleingang und ruiniert ganz alleine stellenweise wirklich mächtige Synthiebeats. Dabei könnte er es besser, wie die Strophen von "Slumdogmillionär" beweisen, in denen Fler echt ordentlich flowt. Er will aber ja nicht. Personality, weißte Bescheid.

G-Hot und Alpa Gun stimmen in der zweiten Zugabe schließlich noch das Hohe Lied auf die "Loyalität" an: "Dass ich mein Leben für dich gebe ist normal für mich. (...) Loyal bis zum Ende, denn du bist mein Junge." Dass die gemeinhin humoraffine Schwulenszene diesen Track zu ihrer Hymne erheben könnte: eine heitere Vorstellung.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. CEO
  3. 3. Hinter Blauen Augen
  4. 4. Slumdogmillionär
  5. 5. Höhenflug
  6. 6. Nummer Eins
  7. 7. Schönheit Ist Vergänglich feat. Animus
  8. 8. Skit
  9. 9. Zu Gangster feat. Silla & French Montana
  10. 10. Vampir feat. Moe Mitchell
  11. 11. La Vida Loca
  12. 12. Nimm Mich Wie Ich Bin
  13. 13. Atme Ein Atme Aus
  14. 14. Psychopath
  15. 15. Lui V Alles
  16. 16. Lady Killa
  17. 18. Du Bist Es Wert feat. Silla & Moe Mitchell
  18. 19. Team Blade feat. Kool Savas
  19. 20. Loyalität feat. G-Hot & Alpa Gun

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Fler – Hinter Blauen Augen (Premium Edition) €7,99 €3,00 €10,99

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Fler

Es herrscht Krieg in Berlin. Hartes Gangstertum ist angesagt, das Ghetto feiert sich selbst, die besten Verkaufszahlen erzielt derjenige, der noch unterprivilegierter, …

LAUT.DE-PORTRÄT DJ Ilan

Wer sich mit dem Aufstieg des Straßenraps der Hauptstadt um die Jahrtausendwende beschäftigt, dürfte spätestens nach Bushido und Fler auf ihn stoßen.

79 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Fler hat einfach nichts mehr zu sagen, ich war noch nie ein Fan von ihm aber das war früher Geschmackssache, bis zu CCN 2 hat er vlt teilweise schon was zu sagen gehabt, dann ging es einfach bergab und das sag ich nicht aus Hate. Dass SBM2 2012 nach dem ersten Teil noch eine gewisse Aufmerksamkeit bekam, war klar aber man kann sich eben nicht dauerhaft durch solche Prestiges oben halten, es sei denn Fler macht jetzt noch ein paar CCN- und SBM-Alben aber das wäre dann wohl auch iwann berechenbar und lächerlich, auch wenn der Erfolg sicher da wäre, würde es dem Name CCN und auch SBM schaden....Ich wünsche ihm alles gute, trotzdem sollte man langsam auch mehr auf andere Künstler achten.
    Rapper wie Grüne Medizin, Greckoe, Fuhrman, Favorite und Nicone werden immer noch unterschätzt, das steht einfach in einem ungerechtfertigten Verhältnis zu Fler, Silla, Frauenarzt, Cro.....
    Die einzigen Rapper, die an der Spitze sind und noch ab und an Leistung zeigen sind Sido, B-Tight, Bushido, Savas, Samy, Farid Bang, teilweise Kollegah, Marteria, Motrip; K.I.Z., Favorite, Kitty Kat und Alpa Gun.
    Gut, dass Hengzt wieder zurück ist, das wird Hip Hop gut tun....
    Ich wünsche mir, dass in ein paar Jahren Grüne Medizin, Fuhrman, Greckoe, Favorite, Chakuza und Kitty Kat oben mitmischen und nicht nur dieser inhaltsmonotone Straßenrap von Massiv, Saad, Fler, Silla, MOK, G-Hot oder langweilige Partylieder von Cro und vorallem den Atzen.

  • Vor 10 Jahren

    Also ich kann die Bewertung dieses Album absoulut nicht nachvolziehen ich finde das album hat gute beats fler rappt Lässig und es Hört sich gut an Ja Fler Hat sich verändert aber mann kann einfach nicht darüber reden wie scheisse es einem geht wenn man geld macht und mann einfachnicht mehr so lebt wie zu den zeiten zu CCN 1 NDW usw ich finde das album wird sinnlos Totgehatet von mir bekommt es 5 Sterne