laut.de-Biographie
Floetry
Im Musikgeschäft zählt oft nicht das handwerkliche Können, sondern zumeist die zielgruppenspezifische Vermarktung. An diesem Umstand sind bereits einige große Künstler zu Grunde gegangen und auch vor Genregrenzen macht er nicht Halt. Ein klassischer Fall von Vermarktungsproblemen dieser Art im Neo-Soul-Bereich stellt das Duo Floetry dar. Bereits sechs Mal für den Grammy nominiert und als Songwriter unter anderem für Bilal, Michael Jackson, Jill Scott und Glenn Lewis tätig, haben Marsha Ambrosius und Natalie Stewart richtige Probleme, die Massen für sich zu gewinnen.
Entgegen vieler Vermutungen stammt das Duo nicht aus dem Herzen Philadelphias, wie der Großteil der Neo-Soul-Bewegung, die Ende der Neunziger dem Soul-Genre ein neues Gesicht verpasst. Die Damen stammen aus England. Dort lernen sich beide an einer Schule durch ihr gemeinsames Hobby kennen. Das ist jedoch auch nicht klassischerweise die Musik, sondern Basketball. Dennoch finden Marsha und Natalie auch auf musikalischer Ebene zueinander. Wenn sie mal nicht auf dem Basketballcourt stehen oder an ihren Schulbüchern sitzen, frönen die beiden besonders den Genres Reggae, Funk und Soul. Eine professionelle musikalische Laufbahn liegt jedoch noch in weiter Ferne. Ganz anders als im Basketball. Dort winkt Marsha eine viel versprechende Zukunft in Form eines Stipendiums auf der Georgia Tech University in Atlanta. Eine langwierige Verletzung setzt diesen Plänen jedoch ein jähes Ende. Was also tun?
Natalie liefert die Idee. Sie macht nämlich derweil mit ihrer Poesie-Gesangstruppe 3 Plus 1 die Bühnen Londons unsicher. Der musikalische Ehrgeiz ist somit endgültig auch bei Kollegin Marsha geweckt und fortan rückt die Musik in den Hauptfokus. Gemeinsam bestreiten die beiden mehrere Shows und treten in ganz unterschiedlichen Locations auf. Mal mehr im Bereich Poesie/Spoken Word, dann wieder im klassischen R'n'B-Rahmen. Den Engländern gefällt die Mischung und ein lokaler Erfolg stellt sich ein.
2000 wagen The Floacist, wie sich Natalie nennt, und The Songstress (Marsha) den Schritt über den großen Teich und folgen der Einladung eines Freundes nach Atlanta. Amerika ist nicht London, das wissen beide, doch die Versuchung ist groß genug, um es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu versuchen. Zudem beweist der Song "You Got Me" von The Roots mit Erykah Badu zu dieser Zeit, dass jene Art von Musik nicht nur einen Absatzmarkt finden, sondern auch Grammys gewinnen kann. So zieht es Floetry nach Philadelphia, wo sie schnell auf J. Erving Jr. stoßen. Der Sohn des legendären Basketballspielers Julius Erving nimmt sich den Damen an, wird ihr Manager und bringt sie mit dem Label A Touch Of Jazz in Philadelphia zusammen. Der Kopf hinter dieser Institution heißt DJ Jazzy Jeff. Der ehemalige Partner von Will Smith erkennt das Potenzial und nimmt mit den beiden in Amerika unbekannten Engländerinnen gleich mehrere Songs auf.
Für ein Album reicht es noch nicht, doch die Songs machen unter befreundeten Künstlern die Runde. Und eines Tages zeigt der Anrufbeantworter eine folgenschwere Nachricht an: Der King of Pop, Michael Jackson, ist begeistert von Floetry und will einen Song von ihnen haben. Auf Freudensprünge folgt harte Arbeit und schließlich landet der Track "Butterflies" aus der Feder von Marsha und Natalie auf Jacksons Album "Invincible". Eine große Ehre für Floetry und natürlich ein enormer Karriereschub. England ist fortan endgültig Geschichte und Marsha und Natalie schlagen ihre Zelte in Philly auf. Ein Plattendeal mit Dreamworks ist im Kasten und die Arbeit am Debütalbum läuft auf vollen Touren.
2002 erscheint "Floetic". Und obwohl der große Erfolg ausbleibt, gehören Marsha und Natalie nach Meinung der Kritiker mit diesem Debütalbum sofort zur modernen Soul-Elite. Aufgrund ihres Erfolgs in den USA (Top 20) und den eher geringen Verkaufszahlen in ihrem Heimatland England bezeichnet die Presse das Duo bald als Bush des Neo-Souls. Nicht übertrieben, denn Marsha und Natalie starten wie die Gavin Rossdale-Truppe ihre Karriere weitab ihrer Heimat.
So erhalten auch nur die US-Fans 2003 das Livealbum "Floacism". Auf CD und DVD ist ein Konzert im House Of Blues festgehalten, bei dem Floetry ihre Live-Qualitäten unter Beweis stellen. Dank den unbestreitbaren musikalisch-handwerklichen Fähigkeiten glänzen Floetry bei ihren Live-Performances in hellem Licht. Nach dem Tourstress geht es wieder zurück ins Studio. Bald outen sich Stars wie Patti La Belle, 50 Cent und The Game als Fans des Duos. Letzterer gibt der Floetry-Sängerin Marsha sogar die Möglichkeit, ihre Stimme einem Millionenpublikum zu präsentieren.
Auf dem Track "Start From Scratch" des Multi-Platin-Albums "The Documentary" darf sie die Hookline intonieren. Der Song spricht die Massen an, doch leider fällt trotzdem keinem auf, wer zu dieser süßen Stimme gehört. Die Veröffentlichung des zweiten Studioalbums von Floetry - "Flo'Ology" - im November 2005 zieht nämlich erneut im Großen und Ganzen unbeachtet an der Öffentlichkeit vorbei. Dass das nichts mit der Qualität des Longplayer zu tun hat, muss wohl nicht betont werden. Erneut liefern Floetry hochwertigen Neo-Soul ab, der es gar nicht nötig hat, sich dieses inzwischen angestaubte Etikett anzuheften.
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