laut.de-Kritik
Bitterer Garten, süße Frucht.
Review von Franz MauererDoofer Bandname, das 2005er-Genre Screamo, recht unbekannte Band, deren ordentlicher Erstling über vier Jahre her ist und die seitdem bunt ihr Lineup durchwechselte – lasst uns bei For Your Healths "This Bitter Garden" schnell zum Punkt kommen. Das hier ist eine Empfehlung. Diese Review existiert, weil ihr dieses Album hören sollt.
Kapriziöse Songtitel wie der Opener "Davenport (A Rotten Pear)" und dessen Introgelächter erschaffen wie die gesamte Band eine Fallhöhe, die das Quintett aus Ohio kaum einlösen kann und es dann halt doch tut. Euch erwartet eine wilde Mischung aus The Saddest Landscape, The Fall Of Troy und Orchid, die in den 00er-Jahren eingeschlagen hätte, sich aber nicht altbacken anhört. Alle Zutaten sind da: Zwei um die Wette frickelnde Gitarren, ein Sänger im Stile Jeremy Bolms, der sich anhört, als würde jedes einzelne seiner Stimmbänder sich am Schulhof unwohl fühlen, aber dazu kommen zum einen ein fettes Post-Irgendwas-Bass und ein stets glänzend aufgelegtes Schlagzeug und eine über solides Niveau weit hinausgehende Backing-Gesangsleistung, die von Growl bis Clean reicht.
Der eigentliche Gag ist das binnen Sekunden zwischen poppigen Elementen und modern Post-informiertem D-Beat hin- und herschlagende Songwriting von "The Bitter Garden". Auf "Flowers For The Worst Of Them" weist es nach, dass es alles kann außer langweilig sein. Diese gefühlt hundert Tempi und Ebenen führen oftmals rasch zu einer Verklumpung des Songs und Überforderung aller Beteiligten, zumal bei diesem Aggressivitätslevel ("Lamb Without Fold"!); das ist hier nicht der Fall, hinter jeder Biegung schleudert man sich mit derselben Begeisterung in den Song.
Alles reitet triumphal und völlig natürlich nach Hause. Beginn und Ende von "The Radiant Apostasy" würden als Lebewesen nicht mal denselben Sauerstoffgehalt in der Atemluft brauchen können, hier ergeben sie sich scheinbar von selbst. "Longinus" sprintet von Wall of Death zu Passagen à la Daughters, "The Rotting Pair" blinzelt sekundenweise Richtung Metalcore, um dann zu Alt-Rock abzubiegen.
Der Erbauungs(scr)eamp von "With Empty Promises & Loaded Guns", die windschiefe Opener-Ansage "Davenport (A Rotten Pear)", die euren inneren Bauplatz mal eben in zwei Minuten wegebnet, jeder Schuss sitzt und folgt in rasender Abfolge. Nur das gleichwohl stimmungsvolle, gesprochene Mittelstück "Heaven, Here" lässt eine geringe Atempause. Das alles wird in einer Detailtiefe angeboten, die stellenweise sprachlos zurücklässt. Über "Your New Curse" könnte man Doktorarbeiten schreiben und dann noch die Habilitation. Jeder Ziegelstein passt auf den anderen, elektronische Elemente wie auf "In The Valley of Weeping" fügen sich nahtlos ein und wirken nie aufgesetzt. Einzig der Closer "Hostel Elysia" will zu viel, gönnt sich vielleicht einfach zu sehr das Durchatmen. Das wirkt dann zusammengesetzt statt gewachsen und als unnötige Darstellung aller Elemente, die wir doch längst hochkünstlerisch um die Ohren geprügelt bekommen haben. Ein Closer als Ballast.
Diese Mörderleistung garniert Sänger Hayden Rodriguez dann noch neben seiner beeindruckenden Sangesleistung (auf "Clementine" gibt er gar den Cedric Bixler-Zavala) mit Lyrics wie auf "Gaia Wept"
Stepped on the fault/
Broke Mother's back/
Now we're in the shit
die sich schlicht toll anhören und genregerecht juvenil völlig überzogenen Schmerz in tiefstem Schwarz malen. Dabei finden sie malerisches Sprachbild um Sprachbild, reißen verwirrende Geschichten an und verbreiten innerhalb der Songs kohärente Stimmungen. Ein nicht zu unterschätzendes Pfand dieses Wahnsinnsalbums.
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