laut.de-Kritik

Ein Unvergesslicher mit Schönheitsfehlern.

Review von

2008 jährt sich zum zehnten Mal der Todestag des unvergesslichen Frank Sinatra. Aus diesem Anlass kommen gleich eine ganze Reihe neuer Veröffentlichungen - vornehmlich im DVD-Format. Mit "Nothing But The Best" muss natürlich auch eine Greatest Hits-CD dabei sein. Neben der reinen Audio-Ausgabe ist eine Special Edition erhältlich, die mit einer ergänzenden Konzert-DVD aufwartet.

Auf den ersten Blick scheint die Kompilation nichts Neues für den langjährigen Sinatra-Fan zu bieten. Die üblichen Verdächtigen grüßen in gewohnter Weise: "Come Fly With Me", "Strangers In The Night", "Somethin' Stupid", "New York New York" usw. und sofort. Einzig das titelgebende "Nothing But The Best", "Drinking Again" und "The Good Life" mögen vielleicht in die Kategorie unbekanntere Songs des vornehmlich aus Material der sechziger Jahre zusammengestellten Albums passen.

Das digital remasterte Album wartet mit erfreulichen Hörergebnissen auf. Zumal es einen komplett neuen, bislang unveröffentlichten Song bietet. Gänzlich neu ist er dann doch wieder nicht, denn "Body And Soul" nahm der Crooner erstmals 1947 in sein auf Vinyl gepresstes Repertoire auf.

1984, während der Sessions zum Album "L.A. Is My Lady", wurde der Titel neu eingespielt - schaffte es aber nicht auf den fertigen Tonträger. Anlässlich des Jubiläums wurde nun die Stimme des Sängers aus dem damaligen Track herausgefiltert, und der Song im Oktober 2007 unter der Leitung von Sinatras Sohn Frank Jr. neu eingespielt. Das Ergebnis kann sich hören lassen - eine Ballade, die sich nahtlos überzeugend ins bisherige Sinatraversum einfügt.

Über die Klasse der restlichen Tracks braucht ohnehin nicht diskutiert werden - noch immer bezaubert das "Girl From Ipanema" mit seiner Hoffnungen weckenden Verlockung. "It Was A Very Good Year" bestätigt seinen Status als ultimativer Gänsehaut-Track fürs ganze Männer-Leben, "Luck Be A Lady" wartet mit knalligen Bläsern auf und wie eh und je streichelt der warme "Summer Wind".

Sinatra ist und bleibt in seinem Metier "The Best Of Everything", wie er 1984 sang. Vor allem: Ein wirklicher und stilprägender Star. Denn davon gibt es viel weniger, als uns die Medien zuweilen weiß machen wollen.

Zum Teil weisen die Titel auf "Nothing But The Best" andere Spielzeiten auf, als jahrzehntelang gewohnt. "Strangers In The Night" wartet gar mit einer unerwarteten Überraschung auf: Die Version enthält kurze, zuvor noch nicht gehörte Passagen.

Sinatra verlängert den legendären "Shoo-Bee-Doo-Bee-Doo"- Part um einige Momente, die ... ein wenig unernst klingen. Späte Rache vielleicht? Denn in Wahrheit - oder der Legende nach - soll Ol' Blue Eyes Bert Kaempferts Komposition gehasst haben. Jedoch: "Die Leute wollten den Song immer von mir hören, und darum ich musste ich ihn halt singen".

Die der Special Edition beiliegende DVD "Sinatra In Concert At Royal Festival Hall" bedeutet einen rund 50-minütigen Mittschnitt aus dem Jahr 1971 (bereits seit einigen Jahren als separate DVD veröffentlicht). Der vorliegende Ton in wahlweise Stereo oder Dolby 5.1 bleibt akzeptabel, die Bildqualität fällt leider dem Zahn der Zeit entsprechend dürftig aus. Dennoch bleibt ein höchst unterhaltsames Konzert-Erlebnis mit allerlei Besonderheiten im Gedächtnis haften.

Grace Kelly ist tot, das ist leider wahr. Doch in dem Konzertmitschnitt erwacht Monacos Fürstin Gracia Patricia für einige bewegende Minuten zum Leben: Sie kündigt Sinatras Auftritt liebenswert und strahlend schön mit einigen kleinen Anekdoten aus gemeinsamen Hollywood-Zeiten ("High Society") an.

Frankie-Boy ist an diesem Abend in Topform. Es genügen nur wenige Gesten, kleine Blicke - Stimme, Charisma und Ausstrahlung sind einzigartig. Geradezu selbstverständlich die Lässigkeit, mit der er einen kleinen Textpatzer zu Beginn von "The Lady Is A Tramp" überspielt. Oft füllt sein Gesicht in Großaufnahme den Bildschirm.

Es ist faszinierend, zuzusehen, wie ein echter Star vollends aufgeht in seiner Kunst, dann und wann innehält und dem Nachklang der eigenen Worte hinterher spürt. Sinatra war ein des Meister des Umgestaltens, der Improvisation. Viele Songs interpretierte er im Verlauf der Karriere-Jahrzehnte um.

So verhält es sich beispielsweise mit "Didn't We": Vom Arrangement her zurückhaltender instrumentiert als auf Platte ergänzt Frank den Refrain-Text durch ein zusätzliches und eigentlich schlichtes "Girl". Zusammen mit der ganz eigenen Art der Phrasierung lässt Frank einen anderen Song entstehen. Lieben und leiden - diese Hauptthemen vieler Sinatra-Titel ziehen sich natürlich auch durch dieses Konzert.

"Love's the same old sad sensation", intoniert Sinatra zu Beginn von "Bewitched". Als Erkenntnis ist diese Aussage schlicht zeitlos und wahr. Unterm Strich ist "Nothing But The Best" dennoch ein wenig zwiespältig zu beurteilen. Zwar schlägt die gute Arbeit des Remasterings positiv zu Buche, doch dem steht die überwiegend aus zu sattsam bekannten Songs bestehende Auswahl gegenüber.

Mit dem Livekonzert gelang zwar ein guter Griff, doch wäre in Sachen zeitgemäßer, digitaler Aufbereitung wesentlich mehr drin gewesen. Das ändert nichts an der Klasse der Kompositionen und natürlich der von Frank Sinatra selbst.

Trackliste

  1. 1. Come Fly With Me
  2. 2. The Best Is Yet To Come
  3. 3. The Way You Look Tonight
  4. 4. Luck Be A Lady
  5. 5. Bewitched
  6. 6. The Good Life
  7. 7. The Girl From Ipanema
  8. 8. Fly Me To The Moon
  9. 9. Summer Wind
  10. 10. Strangers In The Night
  11. 11. Call Me Irresponsible
  12. 12. Somethin' Stupid
  13. 13. My Kind Of Town
  14. 14. It Was A Very Good Year
  15. 15. That's Life
  16. 16. Moonlight Serenade
  17. 17. Nothing But The Best
  18. 18. Drinking Again
  19. 19. All My Tomorrows
  20. 20. My Way
  21. 21. Theme From New York, New York
  22. 22. Body And Soul

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6 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Also das man hier zwiespältig bewerten will weil die Songs von ol´blue eyes sattsam bekannt sind find ich lustig. Wo sollen neue Songs bitte her kommen? Sollte man wie bei 2pack die Stimme rausschnippseln und Sie zu neuer Melodie neu einkleben?? Was für ein Quatsch. Ein best of von Frank Sinatra kann ja nur die alten Sachen beinhalten und das ist auch gut so. Die Bildqualität muss man auch differenziert sehen da man ja hier wohl auch von Nostalgie sprechen kann wenn die Bildqualität nicht unbedingt dem neuen Jahrtausend entspricht. Allerdings "it was a very good year" hat den mega Gänsehaut Faktor und ist zurecht mit dabei. Diese CD findet bei Liebhabern mit Sicherheit einen Platz... bei mir sowieso

  • Vor 16 Jahren

    ich schätze, daß du da unseren lobster-sqid mißverstehst.
    so doof ist der artur ja nicht, daß er hier wundersam erscheinende neue songs erwartet. die gesamtbewertung sieht ja entsprechend aus.
    was ich jedoch verstehe, ist der unmut, den man zu solchen jahrestagen empfinden kann, wenn als werkschau immer nur bis zum erbrechen die im wesentlichen schon 100mal veröffentlichte selbe 15-25 songliste auf den markt geworfen wird. (schlimmstes beispiel ever: dean martin, immer die gleichen "verschiedenen" bestof sammlungen im fach, no backing catalogue)
    der man hat in 40 jahren ja immerhin ca 40 reguläre studioalben veröffentlicht.
    da darf man doch erwarten, das zumindest zusätzlich jemand auf die idee kommt, mal ansatzweise über den tellerrand zu schauen und jede relevante phase kurz dokumentiert wird.
    das diese argumentation nichts an der ewigen qualität der wunderbaren songs hier ändert, versteht sich natürlich von selbst.
    und den gänsehautfaktor von "very good year" kann ich nur unterstreichen.

  • Vor 16 Jahren

    Naja so gesehen ist es auch sicher nicht ganz so falsch was die review sagt aber mit experimenten verdient man halt kein Geld...

  • Vor 16 Jahren

    die grace kelly-verlinkung is geil, harr!

  • Vor 16 Jahren

    @Swingmaster Jazz (« Also das man hier zwiespältig bewerten will weil die Songs von ol´blue eyes sattsam bekannt sind find ich lustig. Wo sollen neue Songs bitte her kommen? Was für ein Quatsch. Ein best of von Frank Sinatra kann ja nur die alten Sachen beinhalten und das ist auch gut so. »):

    NIcht, wenn man dem Nachlaßverwalter Sinatra Enterprises Glauben schenken darf. Es schlummern in den Archiven jede Menge bislang nie veröffentlichter Tracks. Nancy Sinatra selbst hat (wie ich mal irgendwo las) einmal angekündigt, daß ein komplett "neues" Album mit solchen Aufnahmen unter dem Arbeitstitel "Remember" In Planung wäre. Wer weiß, das Jubiläumstodesjahr-Jahr ist noch nicht vorbei ... ;)
    @Swingmaster Jazz (« Die Bildqualität muss man auch differenziert sehen da man ja hier wohl auch von Nostalgie sprechen kann wenn die Bildqualität nicht unbedingt dem neuen Jahrtausend entspricht. »):

    Natürlich nicht. Aber in Sachen Nachbearbeitung und Aufbereitung ist viel möglich. Es kam vor einiger Zeit z. B. eine DVD mit einem (großartigen) Sammy Davis Jr.-Konzert in Wiesbaden, auch aus den 70gern, heraus, mit wirklich tollem Bild und bearbeitetem Sound. Das geht. Hängt natürlich sicher auch immer vom Ausgangsmaterial ab.

    @Zapato El Don (« die grace kelly-verlinkung is geil, harr! »):

    Konnte nicht widerstehen. Einer meiner ewigen Lieblings-Songs, und paßt doch total! :)

  • Vor 16 Jahren

    Na dann mal her mit dem "neuen" Material ...