laut.de-Kritik
Aufnahmestudio statt Battle-Rap-Schlachtfeld.
Review von Dominik LippeJahrelang gingen die Gebrüder King aus nahezu jeder Hip-Hop-Schlacht als 'Champions' hervor. Nun tauschen Nedal Nib und der neuerdings als Meidi auftretende Mighty Mo die Arena gegen das Aufnahmestudio, um ihren erprobten Battle-Rap auf Albumlänge auszuleben. Dabei geht bereits aus dem Artwork hervor, dass sie sich eher den antiken Heerführern verbunden fühlen, als den heutigen Königen der Straße: "Mein Sohn, ich bin nicht Alexander der Große, doch die Strophen trampeln dich wie Elefanten zu Tode."
Wer wie die beiden Brüder die alten Genre-Werte hochhält, muss die hiesige Szene von Natur aus auf kritische Distanz halten: "Deutscher Rap ist Ami-Fake wie die Reise zum Mond." Hier findet sich wenig Toleranz für "Skinny-Jeans", dafür umso mehr für den Battle-Rap der 2000er. Abgesehen vom Trap-Einschlag klingen die mal um E-Gitarren, mal um Synthie-Sounds ergänzten Instrumentals ein wenig aus der Zeit gefallen. Auf der anderen Seite beschwört etwa "Mentalität" die unheilvolle Kelleratmosphäre eines Battles zwischen zwei vom Mob umkreisten Kontrahenten.
In diesem Milieu konnten die Gebrüder King an ihrem Vortrag feilen. Zwar beherrscht auch Nedal Nib sein Handwerk, doch vor allem der ältere Bruder weiß textliche Schwächen hervorragend auszugleichen. "Wer mir den Krieg erklärt, verschwindet ohne Widerkehr. Ich komm' mit Maschin'gewehr, schieße Magazine leer." Meidi führt seine rauchige, immer etwas verschlafen wirkende Stimme mit technisch geschärfter Klinge, sodass selbst derart altbackene Zeilen keineswegs negativ ins Gewicht fallen.
"Wie bei Säureattacken: Sie verlieren ihr Gesicht." Während die Gangsterrap-Fraktion in den vergangenen Jahren politisch weitaus korrekter geworden ist, als es viele Kritiker wahrhaben wollen, suchen die im Battle geschulten Brüder mit Freude die Kontroverse. Naturgemäß überschreiten sie dabei mitunter die Grenzen des guten Geschmacks, wie Nedal Nib in "Regenwald": "Letztens sah ich einen Penner nur in Unterwäsche. Er hatte wirklich keinen Grund zum lächeln. Wollt' ihm was spenden für gesundes Essen. Doch der undankbare Knecht konnte kein' Hunni wechseln".
So können die beiden Rapper wohl problemlos Serdar Somuncus Credo unterschreiben, wonach jede Minderheit ein Recht auf Diskriminierung habe: "Männer an die Frauen, Frauen an den Herd". Wie ernst derlei Verse zu bewerten sind, zeigt sich spätestens in "Amazone". Im Gegensatz zu Szene-Kollegen, die Frauen nur als schmückendes Beiwerk zum Mercedes-AMG vorführen, schrumpfen die Gebrüder King auf Miniaturgröße, wenn das schwache Geschlecht auf den Tisch haut: "Wenn's zu laut wird, sorgt sie für'n Moment der Stille".
Bei "Einmal", "Gottgewollt" und "Koryphäe" zeigen die beiden Hannoveraner, dass auch sie mal des Kämpfens müde werden: "Ich schätze jeden Moment, den das Leben mir schenkt. Jede Sekunde, in der sich die Ewigkeit fängt. Darf nie vergessen, wie wenig Zeit ich doch hab'". Persönliche Schicksalsschläge verstärken das schmerzliche Gefühle der Endlichkeit noch weiter: "Einmal drohte meiner Mama der Tod. Nach 'nem Schlaganfall im Koma auf der Krankenstation. Warum war ich kein besserer Sohn, ich verdammter Idiot? Denn sie ist zwar aufgewacht, doch als 'ne andere Person".
Doch bis die beiden in die ewigen Jagdgründe eingehen, gilt es noch ein Werk zu vollenden: "Wenn ich sterbe, gibt der Herr mir 'ne Ghettofaust". Die auf diesem Weg zu erwartenden Rückschläge sind bereits eingepreist, denn sie wissen: "Kein Erfolg ohne Versagen". So bleiben vielleicht gerade im Angesicht der eigenen Vergänglichkeit Feldherrn wie Alexander der Große die Referenzpunkte, um über die eigene Lebensspanne hinaus, Spuren zu hinterlassen: "In'n paar Jahrzehnten ist mein Körper eh nur noch Staub. Doch auf ewig wird den Sagen von Koryphäen gelauscht".
5 Kommentare mit einer Antwort
3 punkte? Ufff.
Unterhält gut
kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das ganze klingt... wie sind die instrumentals?
wie von 2006.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
"Wer mir den Krieg erklärt, verschwindet ohne Widerkehr. Ich komm' mit Maschin'gewehr, schieße Magazine leer."
Gab es eigentlich jemals eine Zeit, in der solche Zeilen irgendwie cool waren? Das klingt echt so endlos abgeschmockt. Öde!