laut.de-Kritik
Ein Singer/Songwriter frei von Klischees.
Review von Simon LangemannIm Februar 2011 gab Gisbert zu Knyphausen mit Liveband eine ausverkaufte Unplugged-Show im Konzerthaus Dortmund. Der sympathische Hesse lässt seine Fans offensichtlich gerne warten und veröffentlicht den dazugehörigen Mitschnitt nun ein ganzes Jahr später - als Überbrückung zur dritten Studioplatte.
Trotz umfassendem Repertoire aus zwei großartigen Alben muss man sich mit zehn Songs zufrieden geben – drei vom Debüt und sieben von "Hurra! Hurra! So Nicht".
Ungewöhnlich und frei von Klischees gestaltet sich die Trackauswahl: Singles wie "Spieglein, Spieglein" oder "Melancholie" sucht man vergeblich, auch der beliebte Ohrwurm "Sommertag" bleibt außen vor. Stattdessen wählte man für die überraschende Setlist Titel wie "Es Ist Still Auf Dem Rastplatz Krachgarten", das düstere "Morsches Holz" oder das mystische "Nichts Als Gespenster".
Knyphausens Band verzichtete für den Auftritt gänzlich auf elektronisch verstärkte Instrumente und liefert ein teils exotisches, aber meist sanftes Beiwerk zu den lyrischen Ausführungen ihres Frontmanns. Die zuweilen rockige Leadgitarre der Studioversionen weicht dem Vibraphon, auf dem Produzent und Multiinstrumentalist Gunnar Ennen (Piano, Gitarre, Banjo) immer wieder auch Soloparts übernimmt ("Erwischt", "Dreh Dich Nicht Um"). Drummer Sebastian Deufel schlägt seine Percussion-Instrumente stets behutsam mit Besen, Rods oder Händen an.
Die selbstironisch und passend betitelte "Kleine Ballade Für Zwischendurch" entwickelt mit Banjo und Pfeifeinlagen ein angenehmes Country-Ambiente, das ihr als einziger sonniger Nummer der Platte bestens zu Gesicht steht. Dagegen bricht "Hey" ausnahmsweise aus Wohlklang und Sanftmut aus: Parallel und kontrastierend zu den freundlichen Dur-Harmonien haut Ennen am Klavier kräftig in die Tasten und veranstaltet ein atonales Donnerwetter.
Zum emotionalen Höhepunkt kommt es bei "Morsches Holz", dessen Spannweite von anfänglicher trister Zurückhaltung bis zum klagenden Aufschrei reicht. Die Live-Version zeigt noch deutlicher, wie die Stimmung in der Mitte des Stückes plötzlich kippt und zu Knyphausens kurz angebundene Strophen in emotionalen, redseligen Sprechgesang ausufern lässt.
"Ich vertraue dir alles an: Mein Privatleben, meine Sehnsüchte, meine Kontodaten, meine sexuellen Vorlieben; dieses Kettenkarussell meiner Ängste, das sich seit dreißig Jahren dreht und mich nicht aussteigen lässt - aber dafür blinkt es sehr schön", echauffiert sich der Rheingauer im fiktiven Dialog mit seinem Computer, der "glasfaserverkabelten Müllkippe".
Gisbert zu Knyphausen zementiert auch mit dieser Live-Platte seinen Status als kreativer Kopf an der Spitze des deutschen Singer/Songwriter-Eisbergs. Einziger Wermutstropfen bleibt das etwas zu kurze Set. Aufgrund der beständigen Intensität, die er bei seinem Liedgut an den Tag legt, hätte die ein oder andere weitere Nummer dem ansprechenden Gesamtbild wohl keinen Abbruch getan.
4 Kommentare
Texte und Musik von Herrn zu Knyphausen sind eigentlich nicht schlecht. Aber bei dieser affektierten Art zu singen, kann ich mir das einfach nicht anhören. Dann lieber Singer/Songwriter-Kollege Olli Schulz ...
Gisbert, Olli - finde ich alle schlimm. Ich mag eigentlich nur Tom Liwa aus der Sparte "Mann singt Deutsch zur Gitarre".
Olli nimmt sich einfach selbst nicht so furchtbar ernst. Und er ist ein richtig guter Entertainer.
Pah, ich find ihn großartig. Aber ob ich einen Livemitschnitt brauche? Eher nicht!