laut.de-Kritik
Dreck ist das neue Lametta.
Review von Alex KlugGod Is An Astronaut. Geben wir es einfach zu: Dieser Name stand in den letzten Jahren in erster Linie Pate für ebenjene Post-Rock-Spielweise, wie sie mancherorts für gerümpfte Nasen sorgte. Oder bei Einsteigern vielleicht auch für glückseliges Augenbrauenheben. Wie auch immer: Jüngst haben wohl auch die irischen Gebrüder Kinsella erkannt, dass es mit dynamikfreier Hochglanz-Produktion, inflationärer Delaypedal-Nutzung und immer gleichen Vocoder-Melodien einfach nicht weitergehen kann. Dreck ist das neue Lametta.
Die übergreifende, weitgehend mutlose Elektro-Produktion der vorherigen Alben überlässt man mittlerweile zurecht gewitzteren Gruppen wie 65daysofstatic. God Is An Astronaut hingegen besinnen sich nun auf einen weitaus organischeren Sound. Studioalbum Nummer neun wiegt sich zu Beginn in sanften E-Piano-Tönen, die sich als roter Faden durch die 45-minütige Instrumentaldarbietung ziehen. Natürlich erklingen zwischendrin immer wieder altbekannte Chöre, vernebelte Tremolo-Pickings und allerlei sphärische Soundwände. Und doch: der Platz zum Atmen, der ist endlich wieder da.
Dass dieser auf "Epitaph" manifestierte Weniger-ist-mehr-Schritt mit dem Ausscheiden von Multiinstrumentalist Jamie Dean als offizielles Bandmitglied zusammenfällt – es dürfte kein Zufall sein. Natürlich gehen Nummern wie der eröffnende Titeltrack nach einigen Minuten nach wie vor im patentierten Crescendocore auf. Interessant ist aber der Kontrast, ebendieses dynamische Spektrum, das God Is An Astronaut hier über mehrere Minuten aufbauen – und gewohnt verlayert zum Einsturz bringen.
Und so erinnern etwa "Mortal Coil" und "Seance Room" mit ihren rhythmisch etwas wagemutigeren Nuancen häufig an die jüngeren Großtaten Caspians, die mit "Dust And Disquiet" eine ähnliche Abkehr von sterilen Klangstrukturen bewiesen haben. Nur: Bei aller Auflockerung liefern God Is An Astronaut gerade in diesen fixeren Parts weder melodisch noch sphärisch große Hinhörer. Beweisstück A: "Seance Room".
Diese verstecken sich tatsächlich eher in den genannten Piano-Momenten. Hier glänzt das Trio zunächst mit verspielt Trip Hop-artigen Interludien in "Winter Dusk/Awakening ", die dann aber trotz dem angenehm fluffigen Bass gegen Ende in ein Synth-Pad-Crescendo münden. Wenigstens etwas gezügelter.
Viel größere, wenngleich zerbrechliche Monumente errichten da die durch und durch feinfühligen Klavierkompositionen "Komorebi" und "Oisín". Hier machen God Is An Astronaut die gesamte fehlende dynamische Zurückhaltung der vergangenen Jahre (geschweige denn Liveshows) wett und üben sich in einer Zurückhaltung, die man in dieser minimalistischen Form sonst eher bei Nils Frahm und Ólafur Arnalds findet. Da sind sie, die dringend benötigten Verschnaufpausen.
Fast könnte man behaupten, dass den Tracks ein paar seichte Jazzdrums im Bohren- oder mittleren Lantlôs-Stil gar nicht mal hätten schaden können, aber dennoch: Kopfhörer-orgasmisch ist das hier schon relativ großes Kino. Doch jeder Vorhang fällt irgendwann. Spätestens mit dem Einsatz zu "Medea", der sich auf der Titelliste zwischen die beiden Tracks gemogelt hat und im Finale wieder allzu generisch lärmig daherkommt.
Ein Jammer: Mit hübscherem Beiwerk und weniger prätentiöser Herangehensweise hätte "Epitaph" ein verdammt rundes und insbesondere spannendes Ding werden können. Auf dem richtigen Weg sind God Is An Astronaut trotzdem.
6 Kommentare mit 2 Antworten
Waren auf Platte ja immer irgendwie okay, aber live sowas von unglaublich lahm. Aber wenn sie den Elektrokram jetzt weglassen, kann man das ja noch mal anhören.
Beim meinem ersten Konzi von GIAA lief ein Roadmovie im Hintergrund und da war die Stimmung perfekt. Zweites Konzert ohne Film war tatsächlich ziemlich lahm.
Mir reichen Mogwai, alles andere sind nur öde Kopien.
Oute mich als GiaA-Fan der ersten Stunde. Von der Warte aus betrachtet ist dieses Album das bisher kontemplativste und zugleich extravertierteste Album, das die Band bisher herausgebracht hat…und es ist so gut, so tief sind sie bisher nie gedrungen…
*vorgedrungen. die elegie, die diese welt verdient.. und ich wünsche mir genau diesen totengesang.. auch wenn er jmd. anderem dient.
Ich mag Döner. 1/5
Ich liebe diese Platte!
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.