laut.de-Kritik
Staubbelagerte Schlager zwischen Bill Ramsey und Heinz Erhardt.
Review von Michael SchuhTief in unserem Herzen haben wir wohl alle ein kleines Plätzchen respektive Zimmer für Götz Alsmann frei. In kaum einer anderen Person des Showgeschäfts manifestiert sich Entertainment, Witz und musikalisches Talent auf so gelungene Weise wie bei ihm. Und da Götzi auch ein Wortakrobat vor dem Herrn ist, der sich um die Pflege der deutschen Sprache mindestens so verdient gemacht hat wie das Goethe-Institut, sind neue Alsmann-Platten immer weit mehr als einfach nur sehr gute Jazz-Platten. "Tabu!" macht da keine Ausnahme.
Es verwundert wenig, dass ausgerechnet der einzige Song aus seiner eigenen Feder zu den Album-Highlights gehört: In "Küss mich, tartarisches Mädchen" (natürlich wäre es Alsmann zu unpräzise, einfach nur einem russischen Mädchen nachzuhängen) lässt der Mittvierziger mal wieder seinen Charme spielen, um seiner "Jurtenprinzessin" einen Kuss abzuluchsen, er fleht seine "sibirische Winzbraut" sehnsuchtsvoll um "ein paar Wimpernschläge deiner Zeit" an, wenngleich er insgeheim weiß, dass seine Konkurrenten sowieso "nicht satisfaktionsfähig" sind. Der Klasse des Textes steht das minimalistische Arrangement mit Ludwig Götz' Solo-Posaune in nichts nach.
Für die übrigen Songs wilderte Alsmann tief in den Musikarchiven, um lange vergessene und staubbelagerte Schlager freizulegen, die teilweise an die siebzig Jahre auf dem Buckel haben. So zum Beispiel der wahrhaft sündenbeladen inszenierte Titelsong "Tabu!", der an den gleichnamigen Stummfilm von Friedrich Wilhelm Murnau angelehnt ist. Dagegen kommt in Bill Ramseys und Chris Howlands "Weit weg von hier" wieder der selbsternannte "Fritz Lang des swingenden Schlagers" (Alsmann) durch, dessen Finger flinker über die Klaviertasten huschen als seine Zunge komplexe Satz-Ungetüme zu bilden imstande ist. Mit dem großartigen Chanson "Fräulein Mabel" glänzt auch Heinz Erhardt in Alsmanns musikalische Ahnengalerie.
Für die Aufnahmen zu "Tabu!" hat sich der vielbeschäftigte Showstar mal so richtig Zeit genommen, zweimal fünf Tage, länger als für jedes seiner Alben zuvor. Ob dies dem aufwändigeren Feinschliff geschuldet ist oder der Erarbeitung von Jasmin Tabatabais Gesangsperformance ("Brauchst Du für's Herz 'ne Miss?"), weiß nur Gott, pardon, Götz allein. Seine Band darf mit 120 Konzerten pro Jahr jedenfalls als eingespielt bezeichnet werden. Und für die restlichen 245 Tage braucht unsereins eben Alsmann-Platten.
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