laut.de-Kritik
Hier wird jede Ü-50-Party gerockt.
Review von Kai ButterweckSeit über 50 Jahren rocken und rollen die goldenen Ohrringe aus Den Haag nun schon quer über den Erdball. Gefühlte 100 Veröffentlichungen stapeln sich mittlerweile in den Archiven der Herren um Sänger Barry Hay - und ein Ende ist nicht abzusehen. Denn knapp zehn Jahre nach dem letzten Studiowerk, wollen es Golden Earring dieser Tage mit dem Album "Tits 'N Ass" nochmal so richtig wissen: "Als Band hast du nur das Recht zu existieren, wenn du auch kreativ bleibst, Songs schreibst und dich selbst neu erfindest", berichtet Gitarrist George Kooymans mit stolzgeschwellter Brust.
Mit einem Cover, dass anderen Kollegen ihres Alters wohl die Schamesröte ins Gesicht schießen lassen würde, einem testosterongeladenen Albumnamen, der an die ruhmreichen Hairspray- und Sleaze-Rock-Zeiten erinnert, und nicht minder plakativen Songtiteln wie "Cool As It Gets", "Dope Runner" und "Wanted By Women" präsentieren sich die Altherren oberflächlich als nimmermüde Libido-Bündel.
Doch das suggerierte Rebel-Feuer ist mehr als nur Marketing-Fassade, denn die insgesamt 14 Songs des Albums laufen bisweilen mit weitaus mehr Umdrehungen als so manch stockender Rock'n'Roll-Motor der jüngeren Generation.
Songs wie der groovige Opener "Identical", die Deep Purple-Hommage "Little Time Bomb" und der Boogie-Blues-Rocker "Cool As It Gets" beweisen gleich zu Beginn, dass das holländische Veteranen-Quartett immer noch weiß, wie man eine zünftige Ü-50-Rock-Party zum Laufen bringt. Zwar dürften sich bei antiken Fender-Sounds, überschaubaren Rhythmusspielen und nicht sonderlich innovativen Gesangslinien die meisten Up-To-Date-Liebhaber an die Inhalte der verstaubten Vinyl-Regale ihrer Erzeuger erinnert fühlen, doch werden Basis-Kenner dafür um so mehr mit der Zunge schnalzen.
Um eine zweistündige Live-Performance ohne Blessuren und Beatmungszelt zu überstehen, hat der Vierer neben kraftvollen Midtempo-Nummern natürlich auch anno 2013 wieder allerhand Geschmeidiges an Bord. Und so holt die Combo tief Luft, wenn sich auf Songs wie "What Do I Know About Love", "This Love" und dem abschließenden "Wanted By Women" tiefenentspannte Grooves mit gezupften Akustik-Klängen paaren.
Insgesamt überwiegt auf "Tits 'N Ass" aber druckvolles Powerplay irgendwo zwischen den Klängen von Deep Purple, Pink Floyd, Neil Young und den Rolling Stones. Hier wird das Rad zwar nicht neu erfunden, aber gut gemacht, hat ein derartiges Album immer noch eine größere Daseinsberechtigung, als so manch vermeintlich innovativer Mumpitz von Kollegen aus der Neuzeit.
4 Kommentare
#aufschrei
Imagine Dragons?
@SK:
Oh, die Protagonisten des Chauvinismus