laut.de-Kritik

Das Duo widmet sich wieder den ruhigeren Klängen.

Review von

Oh mein Gott! Goldfrapp. Meine Liebe zu diesem Duo entflammte 2000, als ich Ende des Jahres im Wust der zugesandten Post auf einmal auf ein seltsames Cover stieß. Um so dankbarer war ich dann, dass ich die Scheibe trotz der eher ungelenken Covergestaltung in den Player geschoben habe. Was auf "Felt Mountain" über mich hinweg rollte, wäre mit 'wundervoll' noch verhalten umschrieben. Dieses Debüt war, ist und bleibt ein Meilenstein, und "Utopia" immer noch ein Song, der mir eine Gänsehaut nach der anderen kreuz und quer über den Rücken jagt. Wahnsinn!

Nach zwei komplett anders gelagerten Alben mit der Hinwendung zu tanzbodenkompatiblen Klängen vollziehen Gregory und Goldfrapp erneut eine Kehrtwende und widmen sich wieder ruhigeren Sounds. Den entspannten Moment erklärt das Duo zum Leitmotiv des Albums, denn die zwingenden Beat-Eskapaden und die elektronische Kinkiness, die "Black Cherry" und zum Teil noch "Supernature" auszeichneten, treten zugunsten organischer Elemente in den Hintergrund. Die elektroide Kühle, die die zwei voran gegangenen Releases beherrschte, bleibt im Requisitenschrank fast verborgen und kommt nur bei zwei Songs ("Caravan Girl", "Happiness") in eher homöopathischen Dosen zum Tragen.

Ersterer überrascht mit einer für Goldfrapp-Verhältnisse erstaunlichen Banalität, wohingegen Letzterer absolut hervorragend den Bogen zwischen klanglicher Neuausrichtung und den alten Alben spannt.

Die neue Facette der Briten offenbart sich bereits bei den ersten Klängen des Openers "Clowns". Eine unverwechselbare Alison legt ihren elfenhaften Gesang über Akustikgitarren-Gezupfe. Sanfte Streicher untermalen das ansonsten sehr reduziert tönende Eröffnungsstück. Die Grundstimmung des Songs hat jedoch so gar nichts Clowneskes an sich, sondern schwimmt auf einer Welle der Tragik dahin.

Traurig schön in ebendiesem Sinne suhlen sich Goldfrapp im emotionalen Halbschatten zwischen Licht am Ende des Tunnels und depressiver Aussichtslosigkeit. Wieder einmal beweisen Gregory und Goldfrapp, dass sie mit einer scheinbaren Lässigkeit erstklassiges Songmaterial aus dem Ärmel schütteln, das diesmal aber zerbrechlicher klingt als alles bislang aufgenommene.

Aufgrund des erweiterten Instrumentariums ist erstens die Liste der Gastmusiker länger denn je, so dass zweitens der Sound im Studio den Live-Klängen immer näher kommt. Positiv? Negativ? Weder noch, sondern nur eine weitere Seite des Duos. Am Ende entscheiden nämlich nur die Songs über Wohl und Wehe. Die stehen wiederum in einer gesonderten Klasse.

Stellvertretend für die organischer klingenden Goldfrapp steht "Cologne Cerrone Houdini" (wie kommt man auf solche Songtitel? Drogen?), mit einem furztrockenen Bass und einem Schlagzeug, das auch nach Schlagzeug klingt. Zwar erinnert speziell der Refrain stark an "Pilots" aus Felt Mountain, aber sachte Reminiszenzen an den eigenen Back-Katalog seien ihnen ausnahmsweise gestattet.

Trackliste

  1. 1. Clowns
  2. 2. Little Bird
  3. 3. Happiness
  4. 4. Road To Somewhere
  5. 5. Eat Yourself
  6. 6. Some People
  7. 7. A&E
  8. 8. Cologne Cerrone Houdini
  9. 9. Caravan Girl
  10. 10. Monster Love

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16 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Also, ich muss schon sagen, dass mich das Album nach wie vor schwer begeistert. Für mich definitiv mein Album Nr. 1 für 2008.
    Wirklich schade, dass sie mit ihrer Tour (bis jetzt) nicht nach Deutschland gekommen sind, was mich doch sehr wundert. Ich wäre wirklich sehr gerne hingegangen. :)

  • Vor 14 Jahren

    Ich höre ja alles mögliche. Massive Attack, Blur, Muse, Röyksopp, Rammstein etc.. Aber kein Album ist von denen auf Platz 1. Da steht nämlich "Seventh Tree" und selbst Massive Attack mit dem genialen "Heligoland" konnte es nicht vom Thron werfen. Schade, dass Goldfrapp so viel Elektrozeugs machen, denn diese Richtung (und die Richtung "Felt Mountain") beherrschen sie wesentlich besser. Umwerfendes Album!!!