laut.de-Kritik
Von wegen Grizzly! Bestenfalls Waschbär.
Review von Matthias von ViereckNicht immer erinnert man die Träume der vergangenen Nacht. Ähnlich verhält es sich mit dieser Platte, die zwar von einer träumerischen Stimmung beseelt ist, von der aber allzu wenig hängen bleibt. Und das selbst nach einem Dutzend Durchläufen. Keine Ohrwürmer, zu psychedelisch, zu verhalten. Freilich verstehen sich Grizzly Bear auf mehrstimmige Gesangsharmonien wie kaum jemand, zitieren die in Brooklyn ja nicht ganz unbekannten Beach Boys, lassen dabei aber Spannungsmomente vermissen.
Manchmal da möchte man den Herren einfach in ihren Bärenhintern treten. Von wegen Grizzly! Bestenfalls Waschbär. Verhalten ist wohl das richtige Wort, um die Atmosphäre dieser nach einer kleinen Insel bei Cape Cod benannten Platte zu beschreiben.
Da fehlen die Momente der Begeisterung, der Ekstase, wie man sie etwa bei den Kollegen von Yeasayer oder Animal Collective zuletzt zuhauf goutierte. Auch nach catchy Melodien sucht man (fast) vergebens. Schon klar: darum geht es dem Quartet gar nicht. Stattdessen will man Sounds, Stimmungen, Harmonien erzeugen. Trotzdem ist ja gegen eine nette Melodie hie und da ja eigentlich nichts einzuwenden.
Vielleicht klingt der Elektrofolk live etwas vitaler, weniger verdöst. In ihrer Heimat Brooklyn sollen die Bärchen unlängst ein ganzes Opernhaus zu Ovationen hingerissen haben. Wenn auch unterstützt von einem Symphonieorchester. Das größte Kompliment, das einem zu dieser Scheibe einfällt: zeitlose Musik. Dazu kommt, dass auch die Songtitel nicht gerade vor Originalität sprudeln: "Two Weeks", "All We Ask", "Ready, Able", "I Live With You".
Da machen auch die Streicher-Arrangements des Komponisten Nico Muhly und ein Kinderchor nicht viel wett. Die handgefertigte Coverkunst ist so sympathisch wie nichtssagend. Eine größere, über die Musik hinausweisende Idee, geht "Veckatimest" ab. Ähnliches ließ sich übrigens schon über "In Ear Park" von Department of Eagles sagen, die 2008 veröffentlichte Scheibe des Nebenprojekts von Daniel Rossen, Grizzly Bears Sänger und Gitarrist.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Dies ist keine schlechte Platte. Die Virtuosität und Musikalität über die Grizzly Bear ohne Zweifel verfügen, wird man in deutschen Landen lange suchen. Nur leider kommt der Bär ein wenig lendenlahm daher.
13 Kommentare
Ich hör das Album jetzt schon seit 2 Tagen ununterbrochen. Jedes Lied ist ein Kracher! Möglicherweise hat der Autor ja nach 2 Hördurchgängen aufgegeben... Die Platte wird immer besser! Was heißt eigentlich die Lieder sind alle lahm!? Schon der erste Track ist doch ne Uptempo-Nummer, die nervös nach links und rechts ausbricht aber irgendwie doch noch den richtigen Weg findet Songs wie Two Weeks, Ready Able, While you wait for the others und Foreground sind HITS! Am Stück durchgehört entfalten sie jedoch ihre ganze Schönheit, denn die Platte besitzt eine unglaubliche Atmosphäre.
werd's mir heute abend mal zu gemüte führen und zwar auf meiner neuen lieblingsseite:
http://www.spinner.com/new-releases#/1
außerdem (phoenix, nick cave...)
yeah, danke für den link, komt echt gut.
eines der Alben des Jahres, steht jetzt schon fest.
hier noch meine Begeisterung in etwas ausführlichere Worte gefasst:
http://www.exitmusic.ch/rezensionen/neuers…
muss ich mir jetzt auch mal kaufen.
mit sicherheit eines der top-alben des jahres.
Herrlich, wenn ich die Review 10 Jahre später lese, muss ich schmunzeln und darüber lachen, dass ich damals nahezu jede neue Musik über laut entdeckt habe und mir die Scheibe trotz dieser amüsanten Review geholt habe und sogar viele Freunde damit infizieren konnte. In einer einzigen Sache hatte Herr von Viereck dann aber doch Recht: Die Platte ist tatsächlich Zeitlos. Ihr dichtestes, ausufernd melancholischstes Werk, das schon beim Betrachten des Covers eine wohlige Wärme abstrahlt.
Das Erkennen der Zeitlosigkeit der Platte ist insofern schon eine ziemliche Leistung...
Man kann hier sehr schön erkennen, worauf es bei Musik wirklich ankommt.