laut.de-Kritik
Das alte und neue Testament des Indie-Rock auf einer CD.
Review von Rainer HenzeWahnsinn. Guided By Voices ist die Band, für die das Format 'Best Of-CD' ursprünglich mal erfunden wurde. Nicht für diese zahllosen Oneandahalf-Hit-Wonders, die meinen, nach zwei Studioalben und einer Live-Platte mit ihren so genannten "Greatest Hits" langweilen zu dürfen. Zur Hölle mit ihnen.
Produktiv, fruchtbar, ergiebig, ertragreich - die deutsche Sprache hält kein Wort bereit, das der Schaffenskraft Robert 'Bob' Pollards auch nur annähernd gerecht wird. Tausende Songs hat er geschrieben, pro Jahr ein bis zwei GBV-Alben veröffentlicht, überschüssige Energien in zahllosen Nebenprojekten abgebaut.
So stammen einige der größten Ohrwürmer des weiten Feldes 'Indie-Rock-Gitarren-Pop-Alternative' zweifellos aus der Feder Pollards. Und nun, nach mehr als 20 Jahren, wählt der Meister höchstselbst 32 Stücke dieses Gesamtwerks und lässt das 77-minütige Destillat auf Midprice-CD verschleudern. Sagte ich schon "Wahnsinn"?
Natürlich besteht bei solcher Reduktion für Die-Hard-Fans und Trainspotter stets Diskussionsbedarf: Wäre statt "My Kind Of Soldier" nicht "Useless Inventions" ein würdigerer "Earthquake Glue"-Vetreter? Geschenkt, denn für Fans ist zeitgleich das 6-CD-Box-Set "Hardcore UFOs" erschienen, das neben vorliegender Zusammenstellung noch Raritäten, Demos, Live-Aufnahmen, Unveröffentlichtes und eine DVD-Doku beinhaltet.
"Human Amusements .." dagegen ist für GBV-Neulinge oder -Nurfastkenner, die es sich nicht leisten können, ein dreiviertel Jahr frei zu nehmen, um sich ausschließlich dem Studium des Pollardschen Backkatalogs zu widmen. Bei ihnen stellt sich beim Hören wiederholt dieses wohlige 'Scheiße, das ist ja auch von denen'-Gefühl ein. "Everywhere With Helicopter", "Bulldog Skin" oder "The Best Of Jill Hives" seien zu diesem Zwecke empfohlen.
Aber warum zur Hölle, fragt Ihr, sind Guided By Voices mit all diesen wunderbaren Songs und Melodien nicht größer als R.E.M.? Gute Frage, es kam wohl immer was dazwischen. Der Release dieser Best Of veranschaulicht die ganz normale GBV-Tragik: VÖ-Datum verschoben, zu kurz vor Weihnachten, keine Promotion mehr seitens der Plattenfirma, Vertriebsprobleme (die Amazon-Bestellung dauert Wochen) demzufolge keine Presseartikel, kurzum niemand merkts. Und so bleibt der Grundschullehrer Robert Pollard wohl auch für die nächsten zwanzig Jahre das bestgehütete Geheimnis des Indie-Rock.
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