laut.de-Kritik
Der fliegende Punkholländer lichtet den Anker.
Review von Mathias MöllerDie Heideroosjes, Hollands erfolgreichster Punkexport, schiebt nach drei Jahren Studiopause ihr achtes Album "Sinema" nach. Featuring Porn, Pride & Prejudice. Was auch immer das heißen soll. Die Heideröschen sind in vierzehn Jahren um eben diese Jahre gealtert, und das hört man auch. Es muss nicht immer so schnell sein, die Songs lassen sich (punkuntypisch) Zeit. Alter=Weisheit=Gut? Ja, so irgendwie. Auch wenn man die Routine hier und da schon ganz gut raushört.
Der Titeltrack "Sinema" beginnt wie ein typischer Schweinerocker, in der Tat fühlt man sich an Gluecifer und Konsorten erinnert. Mit Filmrollenklappern am Anfang und Jahrmarktssounds. Konzeptalbum? Mal schauen. Das Sinema als Kaleidoskop der punkrockigen Monstrositäten. Dicke Gitarrenwände gibt es auch bei "Psychic", hier hört man den feinen Melody-Punk, mit dem sich die Heideroosjes einen Namen gemacht haben. Eine schön ironische "Wir-jammern-über-das-Musikbiz"-Nummer mit superpoppiger Punkmelodie ist auch "Why Does Everybody Steal My Hits?": "I did the job, they get the fun", so verhält es sich nun mal.
Das mit den Melody-Rockern haben sie wirklich gut drauf. Manchmal fühlt man sich ein bisschen an die Donots erinnert, so zum Beispiel bei "Delete Me". Einen besonderen Twist bekommt "Mamelodi Melodies": es geht um Begegnungen mit jungen Punks in Südafrika. Hier kehren sie die durchaus auch politische Seite ihrer Musik mit einem interessanten niederländischen Blickwinkel heraus. Unterstützt werden die Niederländer von afrikanischen Rappern (?) und Backgroundsängern. Paul Simon lässt grüßen. "Come Clean" klagt die niederländische Regierung an, nichts gegen die Massaker auf dem Balkan unternommen zu haben. Die Heideroosjes als verantwortungsbewusste Europapolitiker.
Mittendrin allerdings schrecken Geknüppel und schlechte Stimmung auf: "I am so scard / I feel lonely / Why is the world such a fucked up place?". Dass "The World" weder gerecht noch der schönste Ort auf Erden ist, ist ja nichts neues, dieser Track wirkt trotz dem stimmungsvollen Laut-Leise-Wechsel ein wenig fehl am Platze. Vor allem, weil es bei "Damclub Hooligan" so weiter geht, als wäre "The World" nie gewesen. Das Lustige an den Heideroosjes ist ja, dass sie außer auf Englisch auch auf Holländisch und Deutsch singen. So ist "Damclub Hooligan" ein drolliger kleiner Song über das Dasein als Fußballschläger: "Om mijn damclub te promoen sla ik alles naar de klote".
Eher an Skatepunk der skandinavischen Prägung erinnert "Scapegoat Revolution", was auch immer das darstellen soll. Auch "One On One" geht in die Richtung. Den absoluten Vogel schießen HR allerdings mit dem deutsch gesungenen "Ebersberg" ab, einem Song über einen Gig in der bayerischen Provinz. Am Ende stellen sie fest: "Die Bühne ist scheiße / Anlage fast kaputt / aber die Bauern rocken / wie es kein anderer Deutscher tut".
Das Album macht eigentlich ganz gut Spaß, auch die politischen Songs wirken durchdacht und eröffnen einen anderen Blickwinkel, als ihn deutsche oder amerikanische Punkbands zu bieten haben. Allerdings hätte so ein Anti-Busch-Song wie "We All Share The Same Sun" nicht unbedingt sein müssen. Aber zur Zeit scheint es wohl zum guten Ton zu gehören, W. einen Song zu widmen und seine Verachtung ihm gegenüber auszudrücken. Dadurch drückt sich die Stimmung am Ende des Albums ein wenig, das multisprachige "Euronoise" kann da auch nicht mehr viel retten. Ein oder zwei Songs weniger hätten dem Album sicher gut getan. Hornby hat wohl doch Recht, wenn er sagt, dass die Kürze eines Albums mittlerweile ein Ausdruck für seine Qualität ist.
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